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Wohltuend

Ich empfinde die Atmosphäre draußen zurzeit mehr als wohltuend. Die Hektik, die Getriebenheit, die normalerweise immer herrscht, erweist sich immer mehr als Scheinwelt, die vorher (außer zu ganz wenigen Feiertagen) ständig aufgeblasen wurde, während nun die Dinge zu ihrer immer vorhandenen Grundlage zurückfinden, was nicht schrecklich, sondern schon lange bitternötig ist.


Zu sehr haben sich bestimmte Aktivitäten von ihrer eigentlichen Lebensnotwendigkeit entfernt. Zu merken ist: Es muß nicht viel passieren im Leben. Es braucht letztlich gar nicht viel. Wirklich nicht. Die ganze Unterhaltung oder Reiserei zum Beispiel. Oder das Ausagieren überschüßiger Energie im Sportverein. Ist alles eigentlich gar nicht nötig. Das heißt nicht, daß es schlecht wäre, nur im grunde überhaupt nicht so wichtig, wie angenommen.


Da fallen z. B. auch Großveranstaltungen aus, wie Fußball-Bundesliga oder ganze Europameisterschaften. Früher hätte mich das entsetzt, da ich das ganze Treiben dort sehr intensiv verfolgt habe. Nun aber merke ich große Erleichterung, daß dieser ständige Vorwärtstrieb, und das immergleich wiederholte Ermitteln eines Siegers endlich zu einem Ende kommt. Endlich, endlich, endlich vorbei mit diesem Käse, der letztlich keinen wirklichen Wert besitzt, auch wenn damit der Respekt vor der Leistung der Sportler keineswegs herabgewürdigt werden soll. Es ist jedoch nicht das wertvoll, was sie meinen, was wertvoll ist, das ist hier der Punkt. Die Triumphe, die Trophäen, Siege, Meisterschaften und Titel verblassen irgendwann, und in hundert Jahren wird das keine Sau mehr interessieren, entweder weil der Sport nicht mehr so beliebt ist, oder weil einfach zu viel Zeit vergangen ist, um als relevant erachtet zu werden. Oder kennt jemand den deutschen Turnmeister von 1870?


Es ist also zu merken: Das braucht es gar nicht. Das heißt nicht, daß es nicht gut wäre Fußball zu spielen oder zu Turnen, generell aktiv zu sein, auch in Dingen, die nicht direkt lebensnotwendig sind, nur, daß nicht Dinge in diese Aktivitäten hineininterpretiert gehören, die dort gar nichts zu suchen haben. Ihr Wert ist genau der, den es hat, und der ist der, ein Spiel zu sein, wie Kinder im Sandkasten spielen und am Ende alles wieder zusammenfällt. Die Erwachsenen haben daraus aber gigantische Domänen der Scheinbedeutung aufgebaut, die so irgendwann auch mal zusammenbrechen müssen, weil sie dieses Übermaß an Aufmerksamkeit eigentlich gar nicht verdienen. Klar, solange die Menschen das interessant finden, bläht sich das auf, bindet Arbeitskraft und Gelder, aber bricht das so wie jetzt zusammen, so offenbart es seine letztliche Bedeutungslosigkeit.


Wie dem auch sei. Es ist nur mal ein Beispiel, welches mir aufgefallen ist. Das Zurückfahren ist eindeutig ein großer Segen für diese Gesellschaft. Ich kann für mich sprechen, wenn ich sage, daß ich mich schon lange nicht mehr so wohl in diesem Land gefühlt habe. Man könnte sogar sagen: Erst jetzt kann ich hier überhaupt ankommen, wo ich vorher in der Hetze und Getriebenheit regelrecht untergegangen bin. Es ist als wenn ein innerer Raum in mir nur darauf gewartet hat, daß sich die Dinge äußerlich so setzen können, und wieder ein Druckausgleich geschehen kann. Vorher war da immer irgendwie eine Art Spannung, die selbst durch gezielte Entspannung oder Urlaub nicht ausgeglichen werden konnte. Erst jetzt, durch die gezwungene äußere Ruhe, korrespondiere ich ebenso, selbst wenn ich äußerlich, z. B. im Beruf, aktiv scheine.


Davor hatte ich z. B. immer das Gefühl, mir würde da draußen irgendetwas entgehen. Die Menschen scheinen ganz wichtige, bedeutsame Dinge zu tun, treffen sich in Städten, Planen, Machen, Tun, während ich ein wenig verloren und alleine vor mich hinlebe und -krebe, oft nicht so sehr weiß, was ich mit mir anfangen soll. Nun dreht sich die Geschichte um, und diejenigen, die sich vorher äußerlich abgelenkt haben, werden nun zur Einkehr gezwungen, dadurch vielleicht auch in eine Krise geraten, was für mich aber schon immer eine Art wichtiger Lebensbestandteil ist, um zu mir selber kommen zu können. Für mich ist es nun eher wie ein Heimspiel.



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