Mir wird durch die vielen, großartigen Musiker, die zurzeit im Rahmen dieser Krise Farbe bekennen und sich verwirklichen, immer klarer, was das Kernthema in dieser derzeitigen Phase, und damit auch generell im Leben, ist: Es geht um die Auseinandersetzung Leben und Tod.
Die Musiker, aber auch jeder, der sich davon berührt fühlt, und dem seine Energie und Aufmerksamkeit nicht nur schenkt, sondern sich davon bereichern läßt, trägt in sich die Lebendigkeit und Dankbarkeit, die sich der Erstarrung des Todes entgegenstemmt, von der leider die Mehrheit der Gesellschaft betroffen ist.
Der Tod, das sind eben diese Verhaltensregeln, Bevormundungen, wie jemand zu sein hat, was er zu tun und zu lassen hat, damit er dann kalkulierbar und berechenbar ist. Alles soll in geordneten, "sicheren" Bahnen ablaufen, das ganze Erfahrungsspektrum in eine kleine Box gesperrt werden, in der nichts mehr abweichen darf. Das ist der Tod, das Ende der Erfahrungswelt, und das ist, was genau dieses Regime anstrebt: Nicht nur keine Mimik, kein Körperkontakt, keine Feiern, nein, den Tod alles Lebendigen, so kraß sich das auch anhören mag. Es ist aber so. Das ist in der Essenz ihre Agenda.
Dieser Todestrieb fühlt sich von allem bedroht, was noch lebendig ist, was sich regt, etwas von sich gibt, was unbekannt, neu, spontan und unvorhergesehen ist, was seinem Befehl zum Deckeln und Abtöten nicht beipflichtet. Und muß daher ausgetilgt werden.
Die Frage ist jetzt nur: Wird ihnen das gelingen? Werden sie es wirklich schaffen können, alles Lebendige zu vernichten? Im Grunde müßten sie sich mit der Logik ja selber auch irgendwann auslöschen, weil sie irgendwo auch noch atmen und sich ernähren, oder?
Hier kommen wir näher auf die Spur, was eigentlich Sache ist: Es ist nicht die Angst der Menschen vor dem Tod, die sie die AHA-Regeln stupide und unhinterfragt befolgen läßt damit sie sicher und behütet sind, es ist Lebensangst, die hinter dieser ganzen Inszenierung steckt. Die Menschen haben einfach eine Heidenangst vor sich selber, vor dem, was eigentlich in ihnen steckt, vor dem, was ihre Existenz ihnen eigentlich ermöglichen würde. Stattdessen paßt es perfekt zusammen, daß jetzt alle in ihre Wohnungen hinter Gittern gesteckt werden, weil sie ohnehin nie Interesse hatten, dieses Gefängnis, dieses Alt-Bekannte in ihnen zu verlassen. Es ist äußerlich nun das da, was innerlich schon die Realität war.
Es heißt deswegen auch nicht zufällig "Staat", weil es von statisch kommt. Und statisch ist etwas, was sich nicht mehr bewegt, einzementiert, starr und verkrustet, und daher seinem Wesen nach kreativitäts-, innovations- und damit abgrundtief lebensfeindlich ist. Jeder, der so einem Betonblock treu ist, ist selber damit vor seinem biologischen Tod schon tot. Dieser Mensch könnte sich gleich beerdigen, weil da nichts Relevantes mehr passiert. Er mag zwar als Biomaschine funktionieren, aber sein Herz ist erkaltet und erblaßt. Was ist so ein Leben noch wert?
Uns jedenfalls muß das wirklich nicht bekümmern. Wir haben vom Leben den Auftrag, das Leben uns gemäß zu leben, zu erfahren, zu genießen, es hochzuhalten, in all seinen Möglichkeiten auszuschöpfen, jede Sekunde dankbar dafür zu sein. Damit ist nicht garantiert, daß es immer angenehm ist, aber je mehr auch unsere Körper in Gefahr geraten, und damit mehr Gefahrlaufen zu sterben, desto stärker möchte auch das Eigentliche in uns herauskommen, weil einfach klar wird, daß nicht unbedingt viel Zeit bleibt. Daß mit der sich-zuspitzenden, prekären Situation nicht mehr garantiert ist, daß ich 80, 90 oder 100 werde, ist unter dem Aspekt ein großer Vorteil, so grausam sie auch auf den ersten Blick ist.
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