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Free solo


Viele würden sagen: "Dieser Typ ist lebensmüde! Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank!"


Das ist jedoch nur aus der fiktiven Alltagssicht so. Die Wahrheit ist nämlich: Dieser Mensch ist süchtig nach Leben. Er will es einsaugen, spüren, so intensiv erleben, wie sonst keiner auch nur erahnen kann.


Dem Durchschnittsmenschen ist dieser Menschentyp suspekt, weil er ihre Lebensweise durchschaut. Dieses gelangweilte, überdrüssige Vor-sich-hinleben und auf Sicherheit setzen, bis es eben vorbei ist. Mit diesen Menschen hat er nichts mehr wirklich gemein.


Ich muß sagen: Diese Doku elektrisiert mich regelrecht, wie selten etwas zuvor. Die Konsequenz mit der sich dieser Mensch in seinen Free solo-Touren zwischen Leben und Tod begibt ist atemberaubend.


Da gibt es dann nämlich nur die Möglichkeit, daß dieser Weg erfolgreich beschritten wird, oder sterben. Dazwischen paßt kein Blatt Papier mehr.


Vielen macht diese Entschlossenheit Angst. Deswegen auch das Thema mit der Freundin, wo deutlich zu merken ist, daß sie sich schwer tut, das nachzuvollziehen, auch wenn sie zwar sagt, daß sie das Ok findet.


Es ist klar: Dieser Mann ist an dem Punkt völlig alleine. Da gibt es nämlich keine Beziehung mehr, kein Kollektiv, keine Gruppe, auf die sich jemand bezieht, sondern nur noch er und sein Handwerk. Nur noch jemand, der das genauso erfahren hat, kann das noch verstehen.


Vor so einem Menschen kann ich nur meinen höchsten Respekt zollen. Es läßt mich auch stark betroffen zurück, denn wie oft meine ich eigentlich, auf Nummer Sicherheit spielen zu können? Ein Back-Up in der Tasche, für die Zukunft vorgesorgt haben zu wollen? Habe ich die Rechnung wirklich mit den Tatsachen gemacht? Daß es nämlich keine Zukunft geben wird, wenn das hier, mein Leben, endet?


Und nein, der Tod ist nichts Schreckliches oder Schlimmes. Auch wenn jemand bei so einer Klettertour abstürzt und stirbt ist es kein Drama. Ein Drama ist, wenn jemand sein ganzes Leben lang nicht merkt, daß er lebt. Er selber! Nicht die Welt da draußen, die Gesellschaft, die Natur oder was weiß ich wer, sondern du ganz alleine. Du lebst, nur du. Und nein, das bedeutet auch nicht, daß du dann egoistisch bist, oder die Existenz anderer Menschen leugnest, sondern nur, daß du dir nicht mehr vormachst, es würde da eine Welt draußen existieren, während du nur ein kleiner Teil davon bist, der seinen Dienst zu erfüllen hat. Und daß du siehst, daß du alles bist, und diese Welt nur ein kurz aufleuchtendes Spielfeld von Möglichkeiten ist, mehr nicht. Da passiert nichts Wichtiges, wenn es nicht in dir passiert.


Es sind schon fast schon zu viele Worte, denn es läßt sich eigentlich auch gar nicht erklären. Oder wie soll Alex Honnold seine Erfahrung in Worten beschreiben? Es wäre unmöglich, sie jemandem zu erklären, der das nicht mal ansatzweise selber erfahren hat.


Ich bin jetzt auch kein Extremsportler und habe auch nicht vor einer zu werden, aber ich weiß sehr genau, was jemand wie er in den Extremsituationen sucht: Es ist dieser Kick, sich selber so stark und intensiv wie sonst nie zu fühlen, was regelrecht süchtig macht. Nichts auf der Welt kann dieser Präsenz noch nahekommen, weder Essen, noch Sex, noch sonstige, scheinbar sehr genußvolle Dinge. All das erscheint im Vergleich zu dieser Erfahrung bleich und fahl.


Im Grunde macht sie jeder, die Erfahrung zwischen Leben und Tod zu stehen. Dafür muß er sich nicht in solche abgelegenen Gebiete begeben oder sonst wie seinen Körper riskieren. Es reicht, wenn jemand mal in diesem Hier und Jetzt ankommt, wieder anfängt zu riechen, zu schmecken, zu fühlen, um wieder in Kontakt damit zu kommen.


Ganz von selber im eigenen Kämmerlein funktioniert das aber auch nicht. Es braucht eben wie beim Klettern ein gewisses Instrumentarium, um nach und nach wie bei einem Handwerk zu erlernen, wie z. B. der eigene Verstand arbeitet und unentwegt darum bemüht ist, einen aus der Intensität und Direktheit des Lebens, wie es jede Sekunde lang ohnehin ist, zu ziehen.


Konkrete Anregungen und Erschließungsmöglichkeiten dafür, für einen selber im eigenen Alltag hier im grauen Deutschland, gibt es hier: Wirkgilde - Deutsche Sufi-Schule



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