Soeben war ich wieder beim Balancieren an den Seilen beim Spielplatz. Wie schon gestern, probierte ich es wieder auf dem Seil in ca. 3m Höhe.
Im Gegensatz zu gestern klappte es jedoch nur sehr schlecht, und ich konnte maximal zwei, drei Schritte machen, auch wenn ich mich beim Balancieren auf den Seilen, die etwas knapper über dem Boden sind, mittlerweile sehr sicher fühle.
Auch wenn sich an der Übung selber in der anderen Höhe gar nichts ändert, weil die Seilart und -länge dieselbe ist, so ist hier deutlich zu merken, wie der Kopf 90% der Performance ausmacht. Man muß sich nämlich vorstellen, daß zu den 3m ja auch noch die knapp 2m Körpergröße dazugekommen, das heißt ich überblicke quasi in 5m über dem Boden das Gelände, und nur ein dünnes Seilchen trägt mich.
Ich merke, wenn ich mich in diese Erfahrung wage, wie etwas sehr Belebendes aufsteigt. Rational ist mir natürlich klar, daß ich einen Absturz gut überstehen werde, aber vom Körper her wächst dennoch eine Anspannung, denn da oben herrscht einfach ein anderer Wind, und ich kann mich, wenn ich aus der Balance komme, nicht einfach mal schnell abfangen, falle zu 100%.
Auch spielt es durchaus eine Rolle, wieviele Leute vor Ort zuschauen oder einfach nur daneben stehen, denn diese zusätzliche Aufmerksamkeit potenziert die Energie deutlich, so daß ich mich deswegen heute deutlich aufgeregter gefühlt habe, als ich es versucht habe (und dann natürlich auch abstürzte, was aber wie gesagt nicht ganz so schlimm ist, weil der Boden mit weichen Hackschnitzeln gepolstert ist).
Jeder andere würde denken: Was für ein Idiot. Ist er ein Kind? Wieso macht der das? Nun, ich könnte dafür lange Erklärungen suchen, letztlich weiß ich es selber auch nicht. Ich finde es einfach spannend, diese Erfahrung aufzusuchen, weil ich das Gefühl habe, mich so mal ganz neu kennenzulernen. Sitze ich hier alleine in meinem Zimmer, würde einfach nur spazieren gehen, oder weiterhin nur auf dem sicheren Seil unten balancieren, es wären alles Situationen, die ich schon kenne.
Da oben gibt es nur mich und die Situation. Es ist wie eine eigene Welt. Die Umgebung ist da völlig nebensächlich. Das habe ich gestern festgestellt, als ich tatsächlich die 3-4m Seil entlanggeschritten bin, ohne herunterzufallen. Da ist nur noch die eigene Performance von Bedeutung. Alles andere gehört da ausgeblendet, denn würde mich davon auch nur ein Fünkchen zu sehr ablenken, so würde ich, wie heute, abstürzen, als ich mich wohl zu sehr von der Umgebung habe beeinflussen lassen. Und dann geht es eben nicht, was aber auch keine Blamage sein muß. (Wobei die Kinder meinem Gefühl nach noch recht neutral und neugierig mein Tun beäugten, was mich nicht störte.) Es ist vielmehr nur meine eigene Erwartungshaltung, die dann zum Vorschein kommt: Ich sollte das aber schon können, was die anderen dann herausbringen.
Es geht jetzt noch nichtmal speziell um das Balancieren in der Höhe, wo alle einen sehen können. Wie ich schon hier beschrieben habe, geht es um das Sich-zeigen an sich, was sich auch in einem Video, einer Aufführung oder einem Musikinstrumentenspiel zeigen kann. In diesem Ausdruck vor anderen kann ich mich, oder du dich, erst als Mensch entdecken. Davor bin ich wie ein Kücken, welches noch nicht aus dem Ei geschlüpft ist, nicht wirklich existent, im Schatten.
Dann erkenne ich nämlich direkt, nicht als Schlußfolgerung, daß ich mit der Kultur, der Umgebung, der Gesellschaft um mich herum nicht wirklich etwas zu schaffen habe, weil diese mir gar nichts geben kann, was ich nicht selbst schon habe. Sie dient nur als Kulisse oder Zuschauerschaft im Hintergrund, während die eigentliche Energie sich nur in und bei mir selber entfalten kann. Wer das nicht erkennt, und meint, da draußen würde irgendetwas Wichtiges geschehen, der ist ohnehin verloren.
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