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Der Club der toten Dichter

Das erneute Ansehen von „Der Club der toten Dichter“ hat mich ganz neu befruchtet. Der Film bietet so viel, was ich in mein eigenes Leben mitnehmen kann. Es ist ein bestimmtes Lebensgefühl, eine ganz direkte, andere, inspirierende, frohe, liebende, mutige Art zu sein. Es ist Selbstverwirklichung und -entfaltung. Alles, was wichtig im Leben ist, das, worum es hier geht, wird in dem Film vermittelt. Mehr muß man nicht wissen.

Mir wird dann klar, daß es überhaupt nicht um irgendetwas Bestimmtes geht, daß du nichts Bestimmtes tun sollst, werden sollst, auch nichts Bestimmtes erreichen kannst. Denn diese Lebensart ist das, worum es geht bzw. es geht um den, der diese Lebensart für sich mit seinem Stil und seinen Fähigkeiten entsprechend entfaltet. Und da ist nur die Einstellung im Jetzt entscheidend.

Ich konnte mich in dem Film gut mit der Figur des „Todd Anderson“ identifizieren. Ein zurückhaltender, selbstzweifelnder Junge, der sich für absolut wertlos hält. Der Prozeß der Selbstbefreiung ist bei ihm so sehr deutlich zu sehen. Schließlich ist er auch der, der am meisten von dem Lehrer inspiriert wurde, und der, der den stärksten Mut hatte voran zu gehen, und als erster Bekenntnis zu ihm abgelegt hat, als es hieß „Oh Captain, my Captain!“. Ein wirklich herzergreifender Moment, der unter die Haut geht.

Vielleicht trifft es mich so stark, weil ich gerade selber in diesem Prozeß stecke, zurück zu mir und meinem eigentlichen Potential zu finden. Lange sah ich überhaupt keinen Ausweg aus dem Loch in dem ich mich befand, meine Pubertät ist durchzogen gewesen von Lähmungsgefühlen, Einsamkeit, Apathie, Minderwertigkeitskomplexen und Zurücknahmen. Die Lebensgeister wurden zersetzt, und es war schon eine Art Autoaggression, die da am Werk war. Und dieses Versager- und Mitläuferdasein, schien meine Bestimmung zu sein.

Aber irgendwann kommt es dann wohl zu einer Ausweglosigkeit, die dazu führt, nicht mehr zu glauben, was einem eingegeben wurde, denn es hat in eine Sackgasse geführt. Also war Umkehr, Neuausrichtung gefragt. Und dann dementsprechend Lösungssuche, die auch zu handeln führen muß, zu Auszug, zu neuen Einkommensquellen, zu neuen, gesünderen Einflüssen. Keine Selbstüberwindung ist nötig. Es reicht dem zu folgen, was ohnehin getan werden will.


*


Ich kann mir diesen Film zigmal anschauen, denn ich lerne jedesmal etwas Neues dazu.


Es ist nämlich ein zeitloses Thema, eine immer aktuelle Fragestellung: Wie gehe ich, als einfaches, natürliches Wesen mit meinen Interessen, meiner Begeisterungsfähigkeit, meiner Lebensfreude in einem Umfeld um, welches täglich Anspruch auf meine Energie und meinen Tatendrang erhebt? Wie kann ich das mir mir vereinbaren, und nicht nur innerlich aufrechterhalten, sondern auch leben?


Oft geht es nämlich nicht: Das Internat als eine Art Gefängnis für die Schüler ist eine Chiffre, wenngleich natürlich eine sehr drastische. Ähnliche Umstände lassen sich überall finden, sei es in einem Job, den man mehr oder weniger über sich ergehen läßt, mit einer Partnerin, die einem jegliche Freiheiten nehmen will, oder durch das Leben in einem Zeitgeist, der sich als feindselig gegenüber jeder Art von abweichendem Denken zeigt, und die Majorität der Handlanger auf ihrer Seite weiß.


In allen Fällen ist es nicht immer möglich das zu leben, wohin es einem im Herzen zieht. Manchmal ist was änderbar, die Situation kann optimiert oder verlassen werden, oft aber nicht. Im Film eben der Extremfall: Die Jungs sind gezwungen zu leisten, in ihrer Schule Disziplin zu zeigen, konform alles zu tun, was von ihnen verlangt wird. Ihre Eltern, wie auch strenge Lehrer zeigen sich als eiserne Vertreter des gängigen Denkens, geben kaum Spielraum, Entfaltungsmöglichkeiten sind Mangelware oder nur im erlaubten Rahmen. Was macht man also in so einer Situation?


Zunächst ist es wichtig, innerlich nicht abzudanken. Das ist das Allerschlimmste. Ein aufgeschlossener Geist ist die Grundlage, das Fundament jeglicher Bewußtwerdung. Es fängt also bereits im Verstand an: Wer seinen Verlautbarungen, Rechtfertigungen, Argumenten und Einwänden glaubt, dem ist ohnehin nicht zu helfen. Der Verstand ist durchtränkt von gesellschaftlichen Dogmen. Wer an dem Punkt nicht hinterfragt, der hat sowieso nie eine Chance auf Entfaltung des eigenen Potentials, auf Selbstverwirklichung. Der wird immer nur eine Marionette, ein Spielball fremder Einflüsse sein. Das Durchschauen ist also das, was primär von Bedeutung ist.


Was aber genauso entscheidend ist: Man muß das Echte erfahren haben, um zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können. Das gibt einem den Kompaß, selbst wenn man von Mitläufertum umgeben ist. Im Film ist es sehr gut dargestellt: Die Inspirationsquelle, die Figur des Mr. Keating repräsentiert genau diese andere Seite, die auf einem Schlag aufzeigt, wie die Dinge in Wirklichkeit sind bzw. es spricht genau den Teil in einem an, der sowieso schon immer gespürt hat, was stimmig ist und nicht. Und einmal erlebt und innerlich verifiziert, ist es nicht mehr verlierbar, selbst wenn die Schüler nun wieder auf sich gestellt sind, das übliche beschränkte Umfeld um sich herum haben.


Das alles sind für einen selber wichtige Lehren. Wer intelligent ist, der weiß wann Wagemut und wann Respektieren der Regeln angesagt ist (wird im Film auch mal so ähnlich gesagt). Das Bejahen der Lebenskraft heißt nicht ständiges Rebellentum und Aufmucken, wie ein Charakter im Film das auch darstellte, sondern braucht zu jedem Anlaß eine andere Form: Manchmal vielleicht wirklich ein Brüllen wie ein Löwe, manchmal eine ruhige Ansprache, es kann ein Lachen sein und hin und wieder sogar auch Schweigen. Es kann sich auf verschiedene Arten ausdrücken.


Was besonders hängen bleibt bzw. was die schwierigste Situation ist: Wenn die eigenen Eltern das Zwangssystem vertreten. Das bindet einen nicht nur mental, sondern auch emotional. Im Film führt es sogar dazu, daß der Sohn sich so sehr unterdrückt und beschnitten fühlt, daß er lieber den Freitod vorzieht, als weiter solchen Umständen ausgesetzt zu sein. Daß das keine Antwort ist, sollte klar sein, zeigt aber, wie groß die Verzweiflung sein kann, die eine Behinderung der Lebenskraft auslöst.


In einer Amazon-Rezension habe ich gelesen, daß einer meinte, Mr. Keating sei gescheitert. Damit hat derjenige aber die Hauptbotschaft des Films verpaßt: Ich antwortete: Gescheitert ist sein Anliegen ganz sicher nicht. Die Schüler/Zuschauer/alle, die sich inspiriert fühlen, haben trotzdem gewonnen, genau das ist ja der Clue, denn sie können nun zwischen wahr und falsch unterscheiden, egal ob sie in einem beschränkenden Umfeld leben, oder nicht. Mr. Keating hat ihnen einen inneren Wert eröffnet, den sie nie wieder verlieren können. Seine Mission ist mehr als erfüllt...

Es ist sogar mehr: Das Leben selber kann gar nicht scheitern. Wir würden im selben Moment aufhören zu existieren. Es ist schon da, muß nicht mit Mutproben oder Leistung erreicht oder errungen werden. Locker und leicht lädt es uns ein, sich seiner anzunehmen.

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