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Demobesuch 5 - Das Ende des deutschen Denkens


Was soll ich sagen: Die heutige Demo in Landshut war ein totaler Reinfall. Ich war vielleicht zehn Minuten dort, um dann doch lieber loszuziehen um meine Wäsche zu machen, anstatt das Gerede dort anzhören. Es war nämlich keine Veranstaltung für die Wiedererlangung der Freiheitsrechte, nein, Mobilfunk war das übergeordnete Thema, die angeblichen Gefahren, die da lauern und uns bedrohen. Wahnsinnig wichtig, oder?


Ich sage nicht, daß das Thema nicht existiert, denke, daß da auch berechtigte Anliegen vorhanden sein können, aber so gesprochen, kann ich mich mit jedem möglichem Zeug beschäftigen, alles mögliche interessant finden und meinen Verstand arbeiten lassen. Doch wozu das Ganze? Was soll da passieren? Daß ich auf die Errungenschaften der modernen Technik am besten verzichten sollte, weil das ja in Wirklichkeit schadet? Dann wären auch Radiowellen, Funk an sich ja auch schädlich, denn all das ist doch Strahlung, oder? Dann gibt es auch noch die kosmische Strahlung, von der ich die ganze Zeit beschossen werde. Ist das nicht schrecklich? Am besten also, ich sperre mich ein. Überall lauert nämlich etwas Krebserregendes.


Jetzt gerate ich aber schon in die Themenanalyse, was ich gar nicht wollte. Jede Sekunde, die ich mich damit mental beschäftige, sehe ich als verloren an. Mir scheint das so ähnlich wie die Chemtrails-Geschichte, wo auch dubiose Mächte vermutet werden, die uns alle vergiften oder eben bestrahlen, krank, kaputt, impotent machen wollen mit ihren Vorhaben. Verantwortlich sind irgendwelche furchtbar einflußreichen Hintermänner, die sich daran aufgeilen allen zu schaden, denn wer sonst hat das zu verantworten? Diese Leute schmieren auch die ganzen Leute, die darin verwickelt sind, während sie selber irgendwelche Tabletten nehmen, die sie immun gegen ihre Waffen macht, die ja wenn dann überall wirken, selbst in entlegenen Gebieten.


Sicher: Jeder ist frei sich mit allem zu beschäftigen, was er will. Ich empfand es jedoch peinlich heute an diesem Ort zu sein, denn die Deutschen werden gerade massiv um ihre Freiheitsrechte beraubt, aber was interessiert diese Leute? Ihre Verschwörunggeschichtchen, mit denen sie sich pseudoaufklärerisch betätigen können. Die Demo wird als Plattform benutzt. Die Menschen, die mit ihren berechtigten Anliegen aufgrund der aktuellen Situation dort erscheinen, um ihre Aufmerksamkeit betrogen.


Aber gut. Muß ja nicht mein Problem sein. Wenn ich etwas anderes erwarte, muß ich hinterfragen, wieso ich das tue. Ich habe nichts zu fordern, auch nicht von den Deutschen. Die sind so wie sie sind, dieser Ist-Zustand gehört so gesehen, wie er eben ist. Ich muß schauen, was für mich aktuell ist.


*


Später beim Calisthenics-Park kam ein Typ, der unglaubliche Fähigkeiten an den Tag legte: Liegestütze im Handstand, mehrfache Muscle-Ups hintereinander, Handstand auf dem Barren, Front-lever oder kurzzeitige menschliche Flagge, nur um einige der extrem schweren Übungen zu nennen, die er zeigte. Ich war wie gebannt, konnte ihn aber auch nicht darauf ansprechen, weil er Kopfhörer anhatte und nicht gesprächsbereit schien. So durchtrainiert und beeindruckend er auch war, so unzugänglich wirkte er nämlich. Es waren auch einige Passanten da, die genauso ihren Augen nicht trauen konnten, denn er wirkte fast wie ein Akrobat im Zirkus mit seinen Tricks. Die Muskeln schienen wie aus elastischem Stahl zu sein, völlig locker wirkend wuchteten sie ihn durch die Gegend.


Vor allem durch die Anwesenheit vieler Gleichaltrigen vor Ort, was an meinem normalen Trainingsort eher seltener der Fall ist, drängten sich im Inneren Dialog einige Dinge auf, die dringend näher beleuchtet gehören:


Ich muß hier zwei Dinge klar unterscheiden. Zum einen: Vom handwerklichen Standpunkt konnte ich den Typen heute nur als Beispiel nehmen, was für einen Menschen tatsächlich möglich ist. Vollkommen nüchtern und neutral betrachtet war dieser Eindruck eindeutig bereichernd, geradezu phänomenal, vor allem was die Qualitäten Disziplin und Regelmäßigkeit angeht, denn sowas ist nicht von heute auf morgen erreichbar.


Ich muß mir jedoch eingestehen, daß ich das so nicht nur erlebt habe. Ich will es jetzt nicht Neid nennen, aber es war auf jeden Fall eine Färbung von meiner Seite mit dabei, denn im Innenleben war eine Art Gegenkraft aktiv, die mich runterziehen wollte, autoaggressiv, selbstzerfleischend: Du bist eine Lusche, ein Schwächling, ein Lappen, denn schau mal, was der kann, während du mit deinen Anfängerübungen vor dich hin krebst! Auch die Frauen vor Ort haben jetzt nur Augen für den. Und zurecht: Der ist richtig trainiert, aber schau dich mal an. Du bist ein Niemand, eine Null, unfähig, wertlos und unwürdig. Du hast noch viel Arbeit vor dir.


Hier quäle ich mich mit Zeit und Raum: Hier ich, dieser Körper, der anders ist, als der andere da. Dieser Körper A versucht Zustand X zu erreichen, indem sich Körper B aber schon befindet. Damit entsteht die Suggestion: Körper B ist weiter und bereits verwirklicht, wohingegen Körper A noch einiges vor sich hat, um auch dahin zu gelangen, um "anzukommen", wo auch immer das sein soll.


Was das Thema Sport, Kraft und damit implizit auch Stolz und Männlichkeit angeht, wurde ich jahrelang von meinem Vater begleitet, der aber wie ich schon öfter erwähnte, wenig motiviert war, mich dahingehend positiv aufzubauen. Eher im Gegenteil: Das ganze Gemache mit mir empfand ich oft als beleidigend und entwürdigend, denn es war ein ständiges Darauf-hingewiesen-werden noch nicht gut genug zu sein. Im Vergleich mit ihm habe ich auch immer den kürzeren gezogen (logischerweise). Erst heute merke ich, daß die ganzen Vorzeichen schon unfair waren, denn mein Vater war viel älter als ich, konnte schon viel mehr Erfahrungen machen. Schon komisch, daß er das dann gegen seinen eigenen Sohn ins Feld führt. Vor allem war es eine ständige Überbetonung des körperlichen Fitneß-Aspekts, so als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.


Ich meine, klar hat Körperfitneß einen hohen Wert, weil diese das ganze Lebensgefühl bereichern kann, einem viel mehr Optionen bietet, nur, ab welchem Stadium kann ich sagen, daß ich fit bin? Erst wenn ich so wie dieser Akrobat rumhampeln kann, oder wie mein Vater hundert Kilo wiege? Brauche ich erst eine bestimmte Grammzahl Muskelmasse oder einen bestimmten Körperbau um mich wohlzufühlen? Ich muß ehrlich sagen, daß ich mich momentan körperlich überhaupt nicht unwohl fühle. Ich habe genug Ausdauer, fühle mich durch die Kraftübungen gut konstituiert, fühle mich nicht unattraktiv. Was brauche ich eigentlich noch?


Wieso sollte ich genauso wie dieser Typ da diese Übungen können? Das ist doch nur eine Verstandesvorgabe. Und: Kommt die überhaupt von mir? Sicher, wenn ich mehr trainiere und da dranbleibe, werde ich das vielleicht irgendwann auch mal können, aber ob ich das wirklich brauche? Ich merke zwar durchaus, daß es mir vom Typen her liegt, sowas zu machen, aber wenn die Freude dabei draufgeht, wird sie durch kein Ergebnis in der Zukunft wiederzuerlangen sein. Das muß auch klar verstanden werden.


Solange jemand gesund und einigermaßen fit ist, kann ein Mensch schon glücklich sein. Alles weitere ist Bonus. Es ist überhaupt keine Notwendigkeit da, sich mit irgendwelchen Spitzenathleten zu vergleichen, weil diese Leute ganz andere Augenmerke verfolgen, sei es, daß sie etwas hauptberuflich tun, damit ihr Geld verdienen, oder schon von Kindesbeinen trainieren. Das sind alles Stunden und Jahre, die man als Erwachsener beim besten Willen nicht mehr aufholen kann, selbst wenn viel Zeit in freien Minuten investiert wird.


Wenn jemand übergewichtig ist oder schon nach kurzem Laufen aus der Puste gerät, ist es sicher notwendig, daß derjenige anfängt etwas zu tun, was für ihn sicher erstmal sehr ungewohnt und schwer ist. Da geht es aber darum, daß wieder eine gewisse Grundgesundheit erreicht wird. An dem Punkt bin ich aber nicht. Wäre aber so ein Mensch automatisch jemand anderem unterlegen, der vielleicht mehr kann? Natürlich nicht. Er befindet sich nur in einer anderen Phase seines Seins. Das kann ich niemandem vorwerfen. Und Pushen bringt da sowieso nichts, weil es eher demotiviert und erst recht dazu führt, daß jemand aus einer Aktivität herausfällt.


Leider merke ich immer wieder, daß mein Verstand aber genau so programmiert ist: Hierarchien bilden, Einteilungen in Über- oder Unterlegene, Kategorisieren von Leistungen und Fähigkeiten. All das ist völlig sinnlos und tot. Es geht hierbei nicht um konkrete Übungen oder Ausführungen, sondern es ist eine reine Selbstfolter ohne Sachbezug. Da geht es dann nicht darum, wie ich z. B. neue Kniffe lerne, die mir helfen, Dinge besser tun zu können, sondern es ist reine Knebelung, die vor allem daran zu merken ist, daß sie nicht weiterhilft.


Den eigentlich wichtigen Punkt, habe ich aber zu schnell übersprungen: Wieso meine ich automatisch, so wie der sein zu müssen? Das habe ich mir so gar nicht klargemacht. Will ich das tatsächlich, oder wurde mir das nicht eher von außen als erstrebenswert weißgemacht? Ich habe das Gefühl, mit genau dieser Frage die Krux der ganzen Geschichte zu knacken. Jemand, der einfach neutral die ganze Sache sehen würde, würde diesen Typen nämlich einfach sehen, und vielleicht interessiert registrieren, was er macht, es aber nicht auf sich beziehen. Ich tue das schon. Das ist der Unterschied. Mein Selbstbild fordert von mir, ich solle auch so sein, denn nur dann wäre ich das, was gemeinhin unter einem richtigen Mann verstanden wird, so die Vorstellung. Ich wäre dann vielleicht sogar erfolgreicher bei Frauen, wäre "selbstbewußter", insgesamt einfach ein besserer Mensch, so die Idee.


Wie schon erwähnt: Körperliche Fitneß ist sicher ein Aspekt, aber ob es der einzig Entscheidende ist? Ich merke, daß ich dahingehend noch total fremdgesteuert bin. Ich habe noch gar nicht erforscht, ob das überhaupt mein Wollen ist. Nicht nur mein Vater hat das nämlich so propagiert, sondern auch die Gleichaltrigen in der Schule oder im Sportverein, allgemein in dieser deutschen Gesellschaft halten den Sport und alles, was damit zusammenhängt sehr hoch. Dabei wird aber nicht wirklich der gesundheitliche, Lebensfreude ankurbelnde Aspekt betont, sondern vor allem der Wettbewerbsgedanke, der jedem von uns eingetrichtert wurde, ob er will oder nicht. Wer läuft schneller als der andere? Wer wirft weiter, wer springt weiter, wer schießt mehr Tore, oder kann mehr Tricks, mehr Gewichte stemmen, höhere Wiederholungszahlen absolvieren? Es ist ein ständiges Messen und Vergleichen, was typische Verstandesfunktionen sind. Da geht es schon lange nicht mehr um die Freude im Hier und Jetzt, sondern nur noch um das Vorantreiben der Biomaschine, die der Mensch dann definitiv ist. Da fehlt jegliche Ästhetik, jegliche Harmonie in der Bewegung, sondern sie ist dann nur Mittel zum Zweck. Etwas, was z. B. bei den Sufi-Tänzen der zentralasiatischen Sarmounis so gar nicht vorkommt: Die sind fließend, harmonisch und bereinigend.


Es ist vermutlich längst an der Zeit und überfällig, daß diese Art zu denken, die diese Kultur dominiert, langsam mit dieser Generation ihr Ende findet, z. B. auch durch die Zuwanderung. Gestern sah ich so extrem viele Ausländer, wie Türken, Albaner, Kroaten, Afrikaner an einem Badesee und auch heute spielten am Spielplatz nebenan zwanzig Kinder, von denen etwa fünfzehn dunkelhäutig waren, und von den restlichen fünf Kindern mindestens drei entweder Polen oder andere Europäer waren. Durch diese Änderung der Bevölkerungsstruktur endet auch automatisch diese starke Fixierung auf Sport, die in afrikanischen oder nahöstlichen Kulturen so gar nicht vorhanden ist. Diese anderen Nationen kennen das gar nicht, tauchen ja auch z. B. gar nicht bei so Olympia-Medaillentableaus auf, weil es sie gar nicht juckt, dort erfolgreich zu sein.


Das Thema Zuwanderung ist durch das Thema Corona nämlich noch lange nicht gelöst, nur mehr in den Hintergrund geraten. Diese Zuwanderung wird dieses Land aber noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Atem halten, während dieses Virusding wahrscheinlich irgendwann vergessen sein wird. Auch das sollte klar sein.


Für mich ist das aber noch alles gar nicht so relevant. Wichtig ist: Werde ich selber, in meiner Lebzeit frei von diesen ganzen fremden Suggestionen, wie ich sie hier in diesem Deutschland erlebt habe? Nur darauf kommt es an. Nicht, was aus diesem Deutschland wird, oder nicht. Vielleicht habe ich nämlich noch paar Jahre hier vor mir, und die möchte ich ganz sicher nicht mit Müll im Kopf verbringen, wie sich aber leider immer wieder zeigt. Das alleine ist aber keine Schande, will nur bewußt gemacht werden. Im selben Moment fällt der Ballast ab.


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