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Ankommen ist immer möglich

Heute während der Mittagspause auf einem einzelnen Hof auf einem Hügel mitten in der Landschaft im nördlichen Landkreis Freising saß ich einfach da, und war da. Da waren die Apfelbäume, die Schatten spendeten, ein gutes Mahl, der malerische Wolkenhimmel weiß-blau und auch sonst wirkte alles, die Landschaft, wie die Dinge um mich herum, gestochen scharf, kristallklar. Diese Wirklichkeit ist ein unglaubliches Wunder, sie alleine ist schon mehr als jeder auch nur ansatzweise braucht.


Diese Vollkommenheit steht einem immer zur Verfügung, sie ist die Grundlage. Wenn ich mich jedoch frage, was nun daraus folgt, dann ist die eine Möglichkeit zu sagen: Gut, ich genieße das und mache keinen Finger mehr krumm, denn wozu das Ganze. Ist doch eh alles perfekt und in Ordnung. Viele Satsang-Leute scheinen so zu ticken. Konträr dazu stehen die ganzen im Karrierebetrieb Getriebenen, die versuchen erfolgreich zu sein und etwas aus ihrem Leben zu machen, wie es so schön heißt. Die haben aber die bereits vorhandene Vollkommenheit des Lebens nicht mehr im Blick, versuchen sie anderweitig zu erreichen. Auch das erscheint mir als Tick, als geistige Störung. Sie können nicht innehalten, und alles sacken lassen, ankommen, nicht irgendwann, im Urlaub, in der Pension, sondern jetzt.


Von mir her aufgedröselt, sehe ich, daß ich mich einfach nur dahockend aber tatsächlich schnell anfange zu langweilen. Der Verstand fängt irgendwann an zu tickern, will konstruktiv eingesetzt werden. Ansonsten fängt er nämlich an, über mein Leben nachzudenken, dort irgendwelche angeblichen Probleme zu konstruieren, die gar nicht vorhanden sind. Ich habe dann eine nervöse Energie, die schnell zu Kopfe steigen kann. Die Arbeit ist da wie ein Katalysator, der mich wieder mit der physischen Realität direkt in Kontakt bringt. Ich sehe aber nicht, daß mich die Arbeit irgendwohin bringt, in die Zukunft z. B. in einen Moment, wo ich weniger arbeiten muß, weil ich so viel Geld habe, daß es nicht mehr nötig sein wird. Das ist für mich kein erstrebenswertes Ziel. Sicher, ich nehme Geld gerne, denn es eröffnet mir Freiheiten, aber das alleine an sich bietet noch kein Sinn. Auch nicht Edelmetalle zu horten.


Gestern und heute durfte ich zum ersten Mal mit einem Drei-Tonnen-Bagger fahren, da ich mit meinem Trupp an einen anderen Unternehmer ausgeliehen wurde, dort als Subunternehmer tätig sind. Das Baggerfahren geht immer mehr ins Blut über, und so durfte ich viele verschiedene Landschaften aus Humus oder Schotter modellieren, was ein regelrechter Arbeitsrausch war. Parallel fuhr ich hin und wieder den großen Lader, und auch sonst waren alle Maschinen viel größer als in meiner Firma, was die Bedienung sehr spannend machte. Und was für Massen damit bewegt werden können! Kubikmeter für Kubikmeter gehen da durch die Schaufeln.


Ich merke: Es bin nicht ich, der diese Energie investiert, sondern da ist etwas anderes, was durch mich wirkt, und dann produktiv, einsatzbereit, fleißig, hingabebereit ist. Da ist keine persönliche Qualität, die ich mir erworben habe, und die mich deswegen irgendwie von anderen abhebt, sondern je öfter und regelmäßiger ich etwas einfach mache, meine Energie investiere, desto weniger muß ich nachdenken, und desto mehr scheint es irgendwann wie von selber aus den Händen zu fließen. Setzt man sich z. B. das erste Mal in einen Bagger, so muß vor jedem Handgriff überlegt werden, ob die Maschine auch das macht, was ich will. Genauso wenn ich ein neues Klavierstück lerne: Jede einzelne Bewegung braucht Aufmerksamkeit. Irgendwann, nach hunderten, wenn nicht tausend Versuchen scheint es völlig selbstständig zu passieren. Ich weiß, was ich mache, ohne reflektieren zu müssen. Es entsteht ein Effekt, wie unbeteiligt daneben zu sitzen, während der Körper das Richtige tut, wobei man gleichzeitig von innen her voll in dieser Sache drin ist.


Worauf ich hinaus will: Es ist leicht, wenn die natürliche Freude an der Herausforderung mitschwingt. Als Mensch blühe ich erst auf, wenn Schwierigkeiten zu überwinden sind, Neues ausprobiert wird, ich mich in Streß, Anforderungen oder Leistungserbringung erfahre. Davor ist alles nur Sitzen im alten, gewohnten Selbst: Statisch, monoton, bei unter 1% der möglichen Auslastung. Das Sich-Überwinden ist kein Akt der Quälerei, "um zu", sondern richtig verstanden eine Belohnung. Du bist dann erst Mensch. Davor bist du nur ein Abziehbildchen, nicht real.


Gleichzeitig ist das Paradoxe aber, daß du bereits schon jetzt die Möglichkeit hast anzukommen, einfach so, ohne etwas zu leisten. Das zu verstehen ist so ohne Weiteres nicht leicht, denn da kommt das richtige Verständnis, wie auch die Praxis ins Spiel. Eines alleine reicht nicht: Es gibt im Berufsleben viele Praktiker, die aber in ihrer Praxis völlig verloren sind, weil sie das rein mechanisch tun. Dann gibt es die schon angesprochenen Satsang-Typen, die verstanden haben, daß es nichts zu erreichen gibt, das aber nur theoretisch, während der Körper meist schlaff, energieschwach und träge wirkt, was nicht als Beispiel hilfreich ist. Es benötigt beide Aspekte zusammen, um die Balance zu finden, die Aktivität und die Passivität.


Maharaj: Leben Sie ihr Leben mit Intelligenz, ohne jemals Ihr tiefstes Selbst aus den Augen zu verlieren. Was ist es, das Sie wirklich wollen? Nicht Vollkommenheit, Sie sind bereits vollkommen. Sie möchten im täglichen Leben ausdrücken, was Sie sind. Dafür haben Sie einen Körper und einen Verstand. Benutzen Sie sie, und lassen Sie sie Ihnen dienen.


Frage: Doch wer ist es, der diesen Körper und Verstand in die Hand nehmen soll?


Maharaj: Der geläuterte Verstand ist ein treuer Diener des Selbst. Er kümmert sich um die Instrumente im Inneren wie im Äußeren und läßt sie ihre Aufgabe erfüllen.


Fragr: Und was ist ihre Aufgabe?


Maharaj: Das Selbst ist universell, und seine Ziele sind universell. Das Selbst hat nichts Persönliches an sich. Leben Sie ein geordnetes Leben, doch machen Sie es nicht selbst zu einem Ziel. Es sollte nur der Ausgangspunkt für große Abenteuer sein.


-Ich bin, S.107


Im Leben selber gibt es kein Ziel zu erreichen. Das Ziel drückt sich nämlich in jedem Moment ohnehin schon aus, ich muß nur hinsehen.




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