Angenehm und unangenehm wechseln sich immer ab. Man kommt nie endgültig auf eine der beiden Seiten. Mir wurde das klar, nachdem ich gestern lange Zeit Kopfschmerzen hatte, diese dann aber abklungen. Es ist dabei sogar völlig egal, ob man alleine ist, oder mit anderen Menschen zu tun hat. In allen Fällen ist es ein Irrtum zu meinen, daß im eigenen Erleben nur die angenehme Seite da sein sollte.
Der klassische Fehler ist hierbei zu hoffen, daß z. B. eine Partnerschaft mit dem anderen Geschlecht einen endgültig auf diese angenehme Seite befördert. Sicher ist durchaus, daß da sicher angenehme Erfahrungen z. B. in der Sexualität möglich sind, aber je mehr das Pendel in diese Richtung ausschlägt, desto mehr muß das Pendel auch in die andere Richtung ausschlagen in Form von Traurigkeit, wenn der Partner mal nicht da ist, Eifersucht, wenn dieser mit anderen Männern/Frauen flirtet, Interessenskonflikten jeglicher Art in der Beziehung z. B. was Lebensstil, Geld, Kinder angeht. Das soll nicht heißen, daß diese Erfahrungen deswegen nicht durchlebt gehören; ich will nur auf das Verständnis hinaus, daß es dumm wäre zu erwarten, daß da nur die positive Seite auf einen wartet.
Auch wenn man alleine lebt, ist nicht alles schlecht, wie einem gerne der Verstand suggerieren möchte. Dieser sieht dann gerne nur die negativen Seiten, während z. B. nicht der große Spielraum gesehen wird, der einhergeht: Ich muß auf niemanden Rücksicht nehmen, kann tun und lassen, was ich will, wie ich es will, kann schnell wegziehen, mich häuslich so einrichten, wie ich es gerne hätte, muß niemandem Rechenschaft ablegen. Das Erlebnispendel schlägt alleine vielleicht nicht so kraß und intensiv aus, wie es das in Interaktionen mit anderen Menschen tun würde, aber das muß es auch nicht. Es balanciert sich so oder so immer aus.
Auch wenn es darum geht geschäftlich erfolgreich zu sein, so sind mit diesem Streben immer auch massive Schattenseiten verbunden, die so oft gar nicht gesehen werden: Die Last der Verantwortung für eine Unternehmung und seine Mitarbeiter, Sorge um das Geld bei Investments, Sorge um Besitz oder Immobilien, Streß im Umgang mit Geschäftspartnern oder Kunden. Auch wenn Leute berühmt werden, Sportler, Musiker, Künstler, so haben die zwar finanziell ausgesorgt, aber dafür die Nachteile, sich öffentlich nicht mehr frei bewegen zu können, weil sie überall verfolgt werden, kaum Privatsphäre haben, jeder ihnen auf Schritt und Tritt folgt. So ein Leben ist doch nicht dauernd angenehm...
Für mich ist die Bedeutung klar: Es bleibt nichts anderes, als das Leben so zu leben, wie es kommt, ohne Aufbauen von großen Erwartungen und Zukunftswünschen. Das mag für die meisten resignativ, lebensverleugnend, apathisch klingen, aber wer meine Erklärungen hier verstanden hat, wird gemerkt haben, daß das so überhaupt nicht gemeint ist. Die Hoffnung auf ein großes, endgültiges Glück macht einen nicht lebensfroher oder vitaler. Ganz im Gegenteil: Es verspannt unnötig und zieht aus der Mitte, denn es baut sich zu der Hoffnung immer auch eine Gegenkraft auf: Druck oder auch Befürchtungen, irgendetwas Wichtiges zu verpassen. Nichts wird jedoch verpaßt. Im Zwischenraum der Euphorien und der Leiden, ist ist das Leben doch sehr ruhig und gelassen. Da ist wenig Streß, wenig Lärm, vor allem auf dem Land, in der Natur, oder wenn einfach mal die Dinge so gelassen werden, wie sie sind, ohne ständig Probleme zu suchen.
Im Hier und Jetzt versucht der Körper ohnehin von selber eine Balance zu finden, Harmonie anzustreben, Schmerzen zu vermeiden und automatisch Dinge zu wollen, die ihm gut tun, wozu Nahrung, Wärme und natürlich auch Sexualität dazugehören. Im Moment selber sind da aber keine großen Zielvorstellungen mit verbunden, gigantische Erwartungen auf Lebensglück, sondern etwas wie Sexualität ist dann schlichtweg wie Atmen, Essen oder Schlafen, völlig banal und nichts Besonderes. Es ist viel eher so, daß der Verstand diese einfache Sache völlig überinterpretiert, ihr eine Bedeutsamkeit herbeiredet, die so gar nicht vorhanden ist, und sie damit eher kaputtmacht.
Zu diesem Theater zähle ich auch die ganzen sogenannten Aufklärungsplakate, die letztens in meiner Stadt hingen, wie auch sonst viel Reden und Nachdenken über Sexualität im Kulturbetrieb. Was soll das Ganze? Wieso wird da so ein Hehl um diese Sache gemacht? Wenn jeder einfach nüchtern mit dieser Sache umgehen würde wie es z. B. mit Nahrung passiert, dann würde man darüber ja auch nicht dauernd sprechen müssen. Dann wäre man einfach zufrieden. Oder braucht es jetzt auch Aufklärungsplakate, Videos und Seminare, um zu erklären, wie man richtig kaut, schluckt und verdaut? Natürlich nicht. Jeder Mensch weiß instinktiv, wie das geht. Das Problem fängt da an, wo man anfängt zu viel nachzudenken, und nur das ist der Grund, wieso dieses Land auch sexuell so verkorkst ist. Es wird darüber zu viel nachgedacht. Man geht nicht mehr danach: Was schmeckt mir? Welcher Typ/welche Frau gefällt mir, wen kann ich riechen, wer macht mich an?, sondern da ist dann ein gigantischer Überbau von Treuevorstellungen, Ehe und Moral, der alles verkompliziert und diese einfachen, direkten Wahrnehmungen im Hier und Jetzt verhindert. Ich darf diesen Mann/diese Frau ja nicht attraktiv finden, weil ich bin ja verheiratet, obwohl ich denjenigen eigentlich nicht mehr so scharf finde. Was für ein Wahnsinn. Aber dieser Wahnsinn ist leider Normalität.
Um zurückzukommen: Wichtig ist, selber diese ganzen Versprechungen fallenzulassen, und einfach danach zu gehen, wo im Moment Genugtuung aufkommt. Nur da wartet nämlich wirkliche Zufriedenheit und Glück, nicht irgendwann in der Zukunft, wenn bestimmte Bedingungen eingetreten sind. In der Gegenwart ist alles Wichtige schon da.
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