Traum: Ich habe alleine Aufsicht über einen Käfig voller Tiere, was mich verunsichert. Dabei sind mittelgroße Tiger, Affen, und auch weitere, mir unbekannte Wesen mit vielen Augen, glatter Haut. Die Tiere sind allesamt aber im selben Bereich und nur durch leicht zu verschiebende Kästen voneinander getrennt. Nach und nach brechen sie aus, nachdem ich durch ein Wesen abgelenkt wurde, und verliere die Kontrolle. Ich hole Hilfe, und wir sammeln alle Tiere wieder ein.
Ich brauche wohl tatsächlich Hilfe. Ich kann nicht alles alleine mit mir ausmachen. Da sind zuviele Impulse, zu viele Teile in mir, die nicht rational zu erfassen sind, mit fließenden Übergängen. Nicht zufällig kamen ja bei meinem Engagement vor paar Monaten im Tierpark auch ein paar unschöne Seiten von mir heraus, vermischt mit guten Absichten. Was an mir ist echt, was nicht? Wie komme ich mit all dem in mir zurecht, was nicht in Boxen zu bringen ist?
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Es ist wahrlich nicht so leicht in meinem Alter. Das sind so viele Hoffnungen und Erwartungen für dieses Leben, die alle eintreffen sollten, damit es nicht völlig scheitert. Ich bin weit entfernt von einem friedlichen Geist, der nichts mehr will, und keine Wünsche mehr hat, wie es im östlichen Denken das Ideal ist. Auch mache ich mich abhängig von Faktoren, die ich gar nicht beeinflußen kann, wie z. B. Treffen von richtigen Leuten, politisch günstige Umstände.
Es ist natürlich so, daß das eigene Denken da sehr viele Ideale aufgebaut hat, die zu erreichen sind, wie z. B. sexuelle Befriedigung, Frau, Familie, Kinder, Aufstieg im Beruf, finanzieller Erfolg, soziale Anerkennung durch Schreiben von Blogs, Büchern. Erreiche ich davon nichts, so sehe ich mich als alten, verbitterten Mann, der ein vereinsamtes Dasein in seiner Wohnung fristet, so das Horrorszenario für die Zukunft. Nichts von meinen Zielen habe ich erreicht, nicht mal Sex habe ich gehabt.
Ich muß sehen, daß nicht ich mir diese Dinge ausgedacht, sondern daß ich sie irgendwann aufgeschnappt habe, vom Gerede der Leute, vom Fernsehen, vom Radio, von Filmen. So hat ein erfolgreiches Leben auszusehen, alles was dem nicht gerecht wird ist Versagen.
Was sind aber meine Standards, meine Werte? Kann ich nicht eine komplette Neu-Bewertung vornehmen, ein vollständiges Reset durchführen von allen eingeflößten Vorstellungen, was Glück und ein gutes Leben sei?
Ganz abzuschalten wird der rumhackende Verstand wohl nie sein. Er wird immer etwas auszusetzen haben, immer noch ein Haar in der Suppe finden, wieso mein Leben zurzeit einfach nicht perfekt ist. Und es ist genauso der Verstand, der sagt, daß auch dieser Verstandesmechanismus aufhören muß, um sich in den ultimativen, idealen Zustand einzufinden. So perfide läuft das.
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Ramana Maharshi - Ablösung vom Denken aus Gespräche des Weisen, S. 418 (Quelle)
Frage: Maharshi rät, den Geist von Gedanken zu befreien. M: Das ist selbst ein Gedanke. Frage: Was bleibt übrig, wenn alle Gedanken verschwinden? M: Ist der Geist verschieden von Gedanken? Frage: Nein. Der Geist besteht aus Gedanken. Aber wenn ich alle Gedanken los bin, wie soll ich mich dann auf den Geist konzentrieren? M: Ist nicht auch dies ein Gedanke? Frage: Ja. Aber ich soll mich doch konzentrieren? M: Warum? Warum sollten Sie Ihren Gedanken nicht erlauben, frei zu spielen? Frage: Die Schriften künden, daß Gedanken, die wir frei spielen lassen, uns irreführen, d.h. zu unwirklichen und veränderlichen Dingen. M: Sie möchten also nicht zu unwirklichen und veränderlichen Dingen geführt werden. Ihre Gedanken sind unwirklich und veränderlich. Sie möchten die Wirklichkeit festhalten. Das ist genau, was ich sage. Die Gedanken sind unwirklich. Werden Sie sie los. Frage: Jetzt verstehe ich. Aber da ist noch ein Zweifel. Es heißt: „Du kannst keinen einzigen Augenblick untätig sein.“ Wie kann ich mich da von Gedanken befreien? M: Die gleiche Gita sagt: „Obgleich alle Handlungen stattfinden, bin Ich doch nicht der Handelnde.“ Es ist wie mit der Sonne und den weltlichen Tätigkeiten. Das Selbst bleibt immer ruhig, während Gedanken aufsteigen und absinken. Das Selbst ist Vollkommenheit; Es ist unwandelbar; der Geist ist begrenzt und veränderlich. Sie brauchen nur Ihre Begrenzungen abzuwerfen, und Ihre Vollkommenheit ist offenbar.
Ich bin gerade erst dabei langsam zu verstehen, wovon er hier spricht. So viel vorab: Es geht nicht darum, Gedanken zu stoppen, geschweige denn zu verdrängen, mich zu konzentrieren, daß sie weg gehen. Ich sehe die ausgelöste Stimmung, die mit ihnen einhergeht, gebe zu, daß es da ist, und lasse die Gedanken dazu raus, notiere sie z. B. hier. Ja, da sind Gedanken in diesem Leben zu scheitern. Das erzeugt Ängste, Druck, etwas leisten, in die Puschen kommen zu müssen. All diese Gedanken sind veränderbare Ströme, und nach Maharshi unwirklich. Deswegen empfiehlt er: Werden Sie sie los. Was ich hiermit mache. Ich werde mir des Problems bewußt, daß es mich leiden läßt, wenn ich das denke. Im selben Moment aber, nicht irgendwann später, leide ich bereits, womit das Horrorszenario bereits jetzt Einzug in meine Wirklichkeit gezogen hat. Mit dem Erkennen des Irrsinns entsteht aber gleichzeitig mehr Raum, mehr Einsicht darüber, wer ich bin, und was diese Gedanken mit mir zu tun haben und mit mir machen. Sie können mich zwar momenthaft leiden lassen, mehr aber nicht.