Nachdem ich die Verzichtshaltung nun schon seit längerem bei mir klarer sehen kann, hegte sich nun der Wunsch, wieder mein altes Lieblingsspiel auf der Playstation, FIFA Fußball, zu spielen. Wieso nicht jetzt, dachte ich? Wenn ich jetzt Lust dazu habe, was hindert mich daran dem nachzugehen? Also besorgte ich mir heute Vormittag kurzerhand einen etwas größeren PC-Monitor, eine Playstation und das Spiel.
Auf was soll ich warten? Das spirituelle Selbstbild des meditierenden, weltlichen Gelüsten entsagenden Mönchs langweilt mich zu Tode. Ich habe die finanziellen Möglichkeiten, und kann damit anstellen, was ich will. Ich bin niemandem zu etwas verpflichtet, und muß vor allem mir oder anderen nichts beweisen.
Mit einer gewissen Genutuung bin ich so heute ins riesige Kaufareal im westlichen Erding gefahren, und habe dort meine Kohle nur so rausgehauen, im Mediamarkt, aber auch im Supermarkt. Diese Welt, dieses Leben mit all seinen Angeboten steht mir in seinem Reichtum zur Verfügung, und solange das so ist, wäre es reinste Dummheit das nicht anzunehmen, sondern links liegen zu lassen.
So installierte ich zuhause das System und spielte ein wenig. Ich bin die ganzen bunten Effekte und Eindrücke aber überhaupt nicht gewohnt, auch wenn es richtig Spaß machte zu spielen. So mußte ich mich irgendwann einfach nur hinlegen und ausruhen, weil das alles zu viel für mich war.
Interessant ist vor allem, daß ich nun die Freiheit habe so viel zu spielen, wie ich will (oder kann), ohne daß mir jemand ins Wort redet. Ich könnte auch die ganze Nacht spielen. Von früher weiß ich noch, daß ich ein richtig schlechtes Gewissen bekam, denn ich wußte, daß mein Vater immer dagegen war, und es schlecht fand, wenn ich spielte. Auch diese Verinnerlichung kommt jetzt hoch.
Jetzt zeigt sich: Ich kann es mir erlauben. Und das ist deshalb für mich ein sehr wichtiger Schritt, denn es gilt für alle Lebensbereiche. Wo verkümmere ich mich selber, beschneide im vornherein meine Wünsche, Interessen oder Neigungen? Was ist so schlimm daran, einfach das zu machen, was mir Spaß macht, mir das einfach zu nehmen? Konterkariert das etwa mein Selbstbild des spirituell Wachsenden, der sich nur noch mit edlen, weisen Dingen beschäftigt?
Ein spiritueller Mensch denkt schließlich nie an Sex, ernährt sich rein pflanzlich-biologisch, meditiert so oft es geht in der Natur, und ist immer friedlich, würde nie ausrasten. Es ist die reinste Freude diesem Besonderheitsanspruch mal so richtig eins auszuwischen. Und wie ich das schließlich von mir kenne, rennen da draußen genauso viele Leute herum, die mit dieser Miene ihr Leben zu einem Trauerspiel verkommen lassen, daß von Regeln, Vorgaben, Einhaltungen und Verboten geprägt ist. Auf der anderen Seite gibt es aber genauso viele, die völlig dem Konsumwahn erliegen, überfetten und abstumpfen. Alles auf seine Weise verrückt.
Wenige kennen die Geschichte vom Buddha: Aus einem Leben als Prinz in absolutem Wohlstand ohne Probleme oder Sorgen, ging er zu den Asketen, die auf alles verzichtet haben, und fast nackt in der Natur lebten, am Hungertuch nagend. Irgendwann erkannt er aber, daß auch das nicht die Antwort ist, denn es war nur das Gegenteil zu dem anderen. Verzichten ist nicht notwendig. Weder muß etwas abgelehnt, noch etwas forciert werden. Die Asketen waren entsetzt, denn für sie war er nun ein Verräter an ihrer Gruppierung mit dessen Lebensstil sie sich identifizierten.
Für die Erleuchtung ist es letztlich einfach nur notwendig, da zu sein, wo man ist, ohne Bewertung mit sich, seinen Wünschen, seinen Schwächen, seinem Typus, seinem Schicksal. Wie Buddha einfach nur unter dem Baum sitzen, oder auch einfach nur Laufen, oder Bowling oder Playstation spielen. Wenn nicht bewertet wird, macht das keinen Unterschied. Und doch ist ein gewisses Interesse nötig, auch gewisse Erfahrungen, um den Wert des natürlichen Urzustands zu schätzen. Und an dem verharrend ist es sekundär, was getan oder nicht getan wird, solange die Bewußtheit mit von der Partie ist.