Soeben absolvierte ich wieder einen 10km-Lauf. Die Zeit stoppe ich nicht, es dürfte aber knapp eine Stunde gedauert haben, bis ich wieder zuhause ankam. An der Isar entlang schien ich anfangs mit Fersenproblemen zu tun zu bekommen, und wollte schon abbrechen. Nach und nach fand sich aber überraschenderweises alles wieder ein, und ich konnte nicht nur schmerzfrei, sondern harmonisch und gleichmäßig Tempo aufnehmen. Die Beine brauchen einfach etwas Eingewöhnung. Ich bin immer wieder verblüfft, wie sich das eingroovt.
Es hat mir gefallen, in der Natur zu laufen. Nach einem langen Lauf strickt entlang des Flusses, erreichte ich irgendwann die südlichste Isarbrücke von Freising, überquerte sie, und lief auf der anderen Seite wieder zurück bis zur nördlichen Fußgängerbrücke zwischen Neustift und Lerchenfeld, wo ich wieder auf die ursprüngliche Westseite des Flußufers kam. Dort ging es dann wieder hoch Richtung Lankesberg und Startpunkt.
Es war wirklich wieder ein faszinierender Lauf, der mir sehr viel gab. Besonders die Atmosphäre der Isarauen, fast durchgängig der fließende Fluß nebenan, machten es wirklich einzigartig. Am Ende wurden aber diesmal die Waden etwas müde, so daß ich kurz stehen blieb und sie etwas dehnte, was für den letzten Kilometer zu meiner Wohnung hilfreich war. Mich juckte es, diese Runde zum Abschluß zu bringen, und konnte und wollte deswegen nicht abbrechen.
Für mich ist das alles neu. Die Langstreckendistanzen habe ich mir lange Zeit nicht zugetraut bzw. nur theoretisch damit gespielt. Sie zu laufen war aber nun der zwangsläufige nächste Schritt, und ich muß sagen, daß ich nun Blut geleckt habe. Wenn das möglich ist, dann ist auch weit mehr möglich, 20, 30 Kilometer, ja sogar ein Marathon in einigen Monaten. Wieso nicht darauf hinsteuern? Ich bin in einem guten Alter, und das wäre durchaus drin, wenn ich weiter dranbleibe.
Was bei all diesen Überlegungen aber wichtig ist: Der Verstand nimmt das alles auf, und versucht nun etwas mit dem Körper zu machen, eben bestimmte Kilometerzahlen, bestimmte Trainingsziele, bestimmte Zeiten. Und darum geht es nicht, denn das ist alles tot, nur Zahlen und Daten, für die ich mich selber mißbrauchen würde. Worum es eigentlich geht ist die innere Erfahrung während des Laufens, die ich so sehr schätze. Auch der erhöhte Appetit nach einem Lauf, der intensivere Geruchssinn, die stärkere Körperwahrnehmung. Das alles läßt mich faktisch gut fühlen, und nur das ist der Wert. Dafür muß nicht mehr getan werden, als das natürlichste, was Menschen überhaupt tun können.
Was ich nicht empfehlen kann: Mit Kopfhörern zu laufen. Ich sehe das immer wieder, besonders bei Läufern in meinem Alter. Auch das ist eine Überkleisterung des Grunds, wieso ich überhaupt laufe. Wieso muß ich mich dabei noch extra künstlich stimulieren? Dadurch entgeht einem doch die einfache, frische Klarheit und Stärke, die mit dem Laufen einhergeht, und die mich mit Lebenskraft überschüttet. Jeder Zusatz stört da doch nur, sorgt für Distraktion und Verwirrung, und bringt den natürlichen Rythmus durcheinander. Nein, nein, da braucht es wirklich keinen Input. Der ganze Alltag ist doch davon schon geprägt, wieso sollen also diese Minuten auch noch davon beeinflußt werden? Ich bin doch froh, endlich mal von dem ganzen Radau weg zu sein, nur mit mir und meinem Fortbewegen beschäftigt zu sein, was zwar ganz primitiv und banal erscheinen mag, aber durch diese Unkompliziertheit einen wieder spüren läßt, ein Teil dieser Natur, dieser Umwelt, dieser Erde zu sein, mehr als alles andere.