In der Natur und in der Stadt erscheint mir die letzten Tage alles plastischer, irgendwie prägnanter. Die Farben und Formen dringen auf eine neue Art ein. Die Wahrnehmung ist einfach so da, ohne daß ich mich gezielt anstrengen müßte, präsenter zu sein. Es ist nicht mehr als die einfache Eindrucksnahrung, die ohnehin jedem jeden Moment offen steht.
Es ist auch Ankommen auf der Erde. Mir kommt das jetzt vor allem, nachdem ich sechs Folgen der Serie "Mars", sowieso den Film "Der Marsianer - Rettet Mark Watney" mit Matt Damon in der Hauptrolle, angesehen habe. Die karge, lebensfeindliche, rotfarbige Wüstenödnis dieses Planeten wurde in den Aufnahmen hervorragend dargestellt. Es war, wie wenn ich selber auch auf dem Planeten gewesen wäre. Dort gibt es keine Pflanzen, kein Wasser, kein Regen. Nur die Berge, das Geröll und die Sonne kommen einem vertraut vor. Außerhalb der isolierten Behausungen und Raumanzüge ist kein Überleben möglich.
Jetzt lande ich wieder hier. Ich reiße das Fenster auf, und frische, kühle Luft strömt herein. Draußen zwitschern die Vögel. Es ist wie eine Wiederbelebung nach der imaginären Reise zum Mars, nun dankbar, die Erde unter den Füßen zu spüren, die ich nun schon für eine gewisse Zeit meine Heimat nennen kann.
Lustig finde ich immer, wenn Menschen davon sprechen sie würden etwas für die Menschheit tun z. B. eine Marsreise. Neil Armstrong meinte ja auch bei seinem Abstieg aus der Landekapsel auf dem Mond, daß es nur ein kleiner Schritt für ihn ist, aber ein großer für die Menschheit. Der große Aufbruch schien da zu passieren, es geht ins Weltall, in vorher noch nie erkundete Gebiete. Niemand hätte gedacht, daß das schon der Peak sein würde, daß 50 Jahre danach immer noch keine Mondkolonie existiert, geschweige denn ein Mensch den Mars betreten hat. Wo ist da die Entwicklung geblieben?
Wie ich sehe, gibt es keine Menschheitsentwicklung als solche. Die Evolutionstheorie suggeriert das zwar: Anfangs waren da nur kleine Mikroben in der Ursuppe, die irgendwann komplexer wurden, bis heute der Mensch meint mit seinem großen Hirn die Spitze dieses Vorgangs zu sein. Ich sehe das aber immer klarer als Betrug. Es wird scheinbar immer weiter optimiert, verbessert, Neuland entdeckt. Der Einzelne, wenn er denn etwas zu Nütze ist, dann sicher als Vorreiter in dieser Entwicklung z. B. bei interplaneteren Reisen, oder beim Schutz der Umwelt. Es heißt, die Zukunft der Menschheit müsse gesichert werden, eine Kolonie auf dem Mars wäre hierfür wichtig. Wer erlebt jedoch diese Zukunft? Geht es wirklich um eine Menschheit? Hat Christoph Kolumbus Amerika entdeckt für die Millionen, die danach kamen? Hat er das miterlebt? Oder ist er nicht schon gestorben, bevor er überhaupt geahnt hat, was er da entdeckt hat?
Die Menschheit an sich ist unwichtig. Vor allem auch was "sie" erreicht hat. Erstens: "Sie" hat gar nichts erreicht. Zweitens: Wenn etwas je erreicht wurde, dann haben nur Einzelne das durch ihre Begeisterungsfähigkeit und ihren Fleiß geschafft. Wenn ich mich frage, was ich bin, dann muß ich sagen: Ich bin kein Mensch. Um genauer zu sein: Ich bin Bewußtsein, was diesen Menschen bezeugt. Mensch zu sein habe ich irgendwann gelernt, z. B. von meinen Eltern: Essen, gehen, mich selber anziehen, Fahrrad fahren, lesen, schreiben, rechnen, habe ich mir nach und nach angeeignet, so daß ich jetzt als Mensch in dieser Welt agieren kann. Was aber ist dieses Wesen, und wird es die Entwicklungen, die außerhalb der eigenen Lebensspanne geschehen, überhaupt wahrnehmen? Die Antwort auf diese Frage könnte offensichtlicher nicht sein: Es ist reine Gehirnwäsche. Die interplanetare Expansion der Menschheit wird niemand erleben, weil niemand, der jetzt lebt und geboren wird, am Ende so lange leben wird, sollte so etwas stattfinden.
Klar, es sind Visionen, die ich auch inspirierend finde, aber wenn so etwas Realität wird, dann geht es um die, die das verwirklichen. Es wäre ihr Abenteuer, nicht das eines bestimmten Volkes oder eines Kollektivs namens "Menschheit", die auf diese Figuren dann Anspruch erhebt, so wie die Sowjetunion einst einen Juri Gagarin instrumentalisiert hat. Er wollte sicher nur fliegen, nicht von Funktionären als Erfolgsmaskottchen ihres Apparats mißbraucht werden. In Deutschland ist das z. B. auch sehr stark, da geht es dann immer um "unseren" Alexander Gerst, "unseren" Boris Becker, "unseren" Michael Schumacher usw.
Es ist mitunter auch etwas, was sehr gut zu dem "One World"-Zeitgeist paßt: Heute geht es nun nicht mehr um den Fortschritt der einzelnen Nationen wie Frankreich, Deutschland oder Rußland (außer vielleicht im Sport), sondern nun scheinen sich alle in Liebe und Harmonie zu vereinigen in einem neuen Superstaat, der nun ehrenhaftere Ziele zu verfolgen versucht. Der Einzelne wird hierbei aber genauso aus seiner Mitte, aus seiner Wirklichkeit gezogen, in die Ziele eines als übergeordnet empfundenen Kollektivs, auch wenn nie klar wird, wann das erreicht sein soll. Es ist wie ein Hypnose, die eine Scheinwichtigkeit erzeugt, z. B. ja mit dem Verhindern-wollen eines sogenannten Klimawandels. Niemand wird die Effekte dieser "Verbesserungen" spüren, aber man kann sich so fühlen, als würde man etwas Gutes tun, wenn man jetzt Elektroautos fährt. Das ist dann der Lebenssinn dieser Menschen. Wobei bei diesem Thema - im Gegensatz zur Raumfahrt mit ihrem Vorstoßen in unbekannte Welten - jegliche Inspiration fehlt: Es bleibt ein Vakuum leerer als das Weltall, es wird eine Verzichtshaltung gepredigt, ohne Aussicht auf irgendwas. Selbst Kriegspropganda mit Endsieg- und Eroberungsszenarien bieten den Opfern der Gehirnwäsche noch gewisse Perspektiven. Das, was hier heute passiert zieht herunter, läßt einen schwach und müde fühlen, weil da nicht mal etwas getan werden kann, außer eben zu verzichten, Energie zu sparen, dies und jenes nicht zu essen, nicht Auto zu fahren usw. usf.
Es geht nicht um Deutschland, auch nicht um die EU, und auch nicht um den Fortschritt einer "Menschheit", einer Art, einer Rasse. Jeder ist sein eigener Astronaut, gelandet auf dem Planeten Erde, mit seinem eigenen Countdown auf diesem Stein im All. Ich bin nicht verantwortlich für das Fortbestehen von irgendwas hier, auch nicht für kommende Generationen. Das ist schlichtweg nicht mein Job, egal, wer meint, mir das einreden zu müssen. Nur weil ich nicht bereit bin, diesen Schwachsinn zu glauben, bin ich nicht automatisch jemand, der überall seinen Müll liegen läßt, weil ihm jetzt alles scheißegal ist. Ganz im Gegenteil achte ich sogar viel mehr auf meine Lebensumgebung, weil ich die Zeit, die ich hier geschenkt bekommen habe, auch sauber und ästethisch verbringen möchte, und nicht verdreckt und verschmutzt. Das ist aber mein Eigeninteresse und nicht, weil mir von oben gesagt wurde, ich müsse das tun aufgrund meiner sogenannten "Pflicht" für kommende Generationen. Ich bin niemandem irgendetwas schuldig, keiner hat einen Anspruch auf mich.
Vielleicht lebe ich mit diesen Worten alleine auf diesem Planeten. Die Erde, vielleicht ist sie gar kein Platz der Gleichgesinnten, vielleicht bin ich hier weit mehr allein als je ein Mensch auf dem Mars sein würde.