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American Beauty


Gestern Abend schaute ich mir zum ersten Mal den Film "American Beauty" an. Erwartet hatte ich etwas klischeehaft Romantisches, mit etwas Humor. Das wurde bei weitem getoppt. Ich konnte mich in vielen Punkten wiederfinden, weil es sich sehr realistisch zeigte, mit Charakteren mit sehr viel Tiefe.

Da wäre zunächst die Situation der Midlife-Crisis, die ich bereits auch hier und da von mir kenne: Ein Sinndefizit, eine fehlende Aufgabe im Leben, die von außen kommenden Vorschläge eines glücklichen Lebens erweisen sich als Betrug. Dann das Aufbauen einer Scheinexistenz, um sich und sein Innenleben ja nicht nach außen zu zeigen, was den ganzen Film durchzieht: Nicht nur zeigt sich das anfangs am Hauptdarsteller und seiner Frau, sondern wie sich herausstellt auch bei seinem neuen Nachbarn, und bei der Freundin seiner Tochter. Am Ende des Films stellt sich heraus, daß sich etwas ganz anderes hinter ihrem starken Auftreten verbirgt. Vor allem die Härte des Nachbarvaters zeigt das auf eine Art, die ich auch von prägenden Menschen aus meinem Leben kenne. Es zeigt sich schließlich, daß das nur ein Zeichen einer tieferliegenden Unsicherheit ist, die nicht zum Ausdruck kommt, und in dem anderen Auftreten Sicherheit und Kontrolle über das Ungewünschte in einem sucht.

Die richtige Herangehensweise zeigt sich eben bei Lester Burnham: Inspiriert durch den Eindruck der Freundin seiner Tochter fängt er an sein Leben umzukrempeln. Er findet zunehmend Zufriedenheit an Überwindung der Körperträgheit, und gewinnt in Situationen in denen er vorher gekuscht ist, seine Würde zurück.

Anders ist auch folgender Aspekt: Die Erzählung der Geschichte post mortem ( d. h. kommentiert aus der Position nach dem Tod). Mir kam die Frage: Wie würde ich mein Leben selber kommentieren, aus dieser Sicht? Wäre es eine spannende Story, die ich interessant finden würde? Wäre ich doch gar nicht mal unzufrieden mit diesem Leben gewesen, so wie es der Protagonist in dem Film war? Bin ich in den entscheidenden Momenten meines Lebens geflüchtet, oder habe ich meine Chance genutzt? Wie am Ende des Films treffend gesagt wurde, ist jeder irgendwann an diesem Punkt, mit den Tatsachen des eigenen Lebens konfrontiert zu werden.

Das Thema Sexualität ist da natürlich mit ein Punkt, der nicht nur diesen Film, sondern auch mein Leben stark dominiert. Im Film zeigt sich die gesamte Palette von Schüchternheit, Anziehung, Annäherung, aber auch Beziehungsverstrickung in noch nie dagewesener Art. Vor allem auch, wie meist Falschheit diese im Grunde einfache Sache vergiftet und verkompliziert. Es ist etwas sehr Zerbrechliches, was mit viel Obhut angegangen werden muß, wie sich z. B. bei der Tochter und dem Nachbarsjungen mit der Kamera zeigt, oder auch bei dem schier unmöglichen Versuch der Kontaktaufnahme des viel älteren Vaters mit der jungen Frau.

Im Kern kann ich meine Situation mit der von der Freundin der Tochter vergleichen, in die sich der Vater verliebt hat. Auch mir fällt es schwer zuzugeben, daß ich mich eigentlich für unwürdig, klein und gewöhnlich halte, auch wenn es z. B. hier im Blog oder in meinen sonstigen Äußerungen so wirken kann, als wäre das nicht so. Ich habe genauso noch nie wirklich Sex gehabt, fühle mich aber durch die vielen Gleichaltrigen zu einem Vergleich gezwungen, die damit anscheinend ja kein Problem haben. In meinem alten Bekanntenkreis habe ich z. B. auch gelogen, daß ich schon Sex hatte, damit es einfach nicht so peinlich wirkt.

Es ist einfach beschämend, wenn ich zugebe, daß ich damit Schwierigkeiten habe. Ähnlich auch, wie Homosexuelle erst innerlich an den Punkt kommen müssen, ihre Orientierung anzunehmen, was in dem Film zu einem Schlüsselpunkt wird. Aber ich möchte nicht zu viel verraten.

Die Charaktersituation dieser "Angela" läßt mich aber selber neu sehen: Auch ich habe das Gefühl Frauen würden mich ziemlich attraktiv finden. Das meine ich manchmal in Blicken oder Attitüden sehen zu können. Ich denke dann schon, daß ich in Hinsicht Attraktivität etwas Vorweisen kann, und das gibt mir dann durchaus auch Selbstvertrauen. Wie in dem Film spielt sich das aber alles nur im Kopf ab, denn in echt sind das reine Mutmaßungen in die ich mich hereinsteigere, wie top ich eigentlich wäre, was diese anderen Frauen aber ja gar nicht wirklich zu würdigen wissen. Damit begebe ich mich automatisch in eine Insel-Position, abgeschottet von realen Interaktionen.

Letztens bin ich z. B. mit einem Kollegen in einige Situationen gekommen, in der ich auch gesagt habe, daß diesen Frauen jemand fehlt, der sie befriedigt, weil sie so unzufrieden ausschauen, was erstmal sehr humorvoll rüberkam, aber eigentlich doch mehr über mich aussagt, als über die Frauen: Wo erlebe ich denn das, was ich da empfehle? Weiß ich überhaupt von was ich da spreche? Ich gebe damit nämlich automatisch den Anschein, als wüßte ich es, auch wenn ich es nicht weiß. Mein Kollege meint jetzt, ich wäre der große Hengst, der viele Frauen beglückt, was aber nicht stimmt. Ich wollte aber einfach mal den Könner raushängen lassen, weil, wie gesagt, wäre es nicht komisch, wenn ich zugebe, daß eher das Gegenteil zutrifft?

Mir ist natürlich auch klar, daß die gesellschaftlichen Umstände zurzeit einfach katastrophal sind. Die Frauen mit denen ich zu tun habe, machen gar nichts. Ich sehe mich aber nicht als denjenigen, der da auf Teufel komm raus etwas in die Wege leiten muß, damit überhaupt etwas passiert. Ich bin kein Casanova, auch kein Aufreißer, der nur aus sexuellem Überdruck zum Handeln gezwungen ist. So verzweifelt bin ich nun auch nicht. Außerdem habe ich das schon probiert, und es führt auf diese Weise nicht zur Freisetzung des eigenen Potentials. Sollte es das, geht das in gar keinem Fall durch Druck und Sich-pushen, weil da die feineren Gefühle, die diese Sehnsucht ja eigentlich erst ausmachen, mit einer Dampfwalze bereits im Keim plattgewalzt werden.

Die Bilder des Films bleiben aber weiter aktiv. Vor allem die Szenerien des amerikanischen Vororts lassen auch in mir Szenen aufleben, wie ich sie vor ein paar Jahren in Kanada und den USA erleben durfte. V. a. der Herbst in Montreal war mit das Schönste, was ich je erleben durfte, wie auch viele weitere Begebenheiten in dieser Stadt: Die erste Wohnung, der erste Bürojob, der erste Kuß. Amerikanische Städte geben einem einen neuen Raum, alleine von ihrer Größe her: Breite Straßen, große Bäume und Alleen. Viel mehr als die europäischen Städte mit ihren kleinen Gassen und Gemeindeunterteilungen, die auch den Freiheitsgeist des Einzelnen lähmen können. Auch daran werde ich wieder erinnert.


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