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Ein Juwel


Gerade bin ich ziemlich matt, fast schon zu faul zum Schreiben. Auch habe ich nicht den Impuls die Kamera anzumachen. Ist es die frühlinghaft anklingende Stimmung die letzten Tage? Bei mir führt das nämlich nicht, wie man es normalerweise erwarten würde, zu einem Aktivitätendrang, sondern ganz im Gegenteil: Ich fühle mich müder und schwächer.

Auch auf der Arbeit fühlte ich mich regelrecht geschlaucht, auch wenn das Pensum vergleichsweise moderat war. Die piksenden Äste haben mir meine Hände aufgeschürft, ich habe Muskelkater vom langen Arbeiten mit Hochentaster und Stangensäge, auch vom langem Nach-oben-gucken beim Bäume zuschneiden oder fällen.

Das ist alles nun auch kein Problem. Es ist wohl wirklich einfach die plötzlich eintretende Wetterlage, die nach den kalten Wochen so richtig reinfährt, die Knochen wieder wärmt. Der Frühling hat es einfach immer in sich. Meist werde ich im Übergang vom Winter zum Frühling auch krank. Das ist nun nicht der Fall, aber ich fühle mich zurzeit deutlich schwächer und anfälliger als sonst.

*

Heute war ich in einem wirklich herausragendem Garten: Das Haus gebaut im Stil der 1930er-Jahre hatte einen unfaßbar angenehmen Reiz. Ich weiß nicht wieso, aber ich kann bei solchen Anwesen zur Ruhe kommen. Die Stabilität und der klassische Stil nehmen nämlich Unruhe auf, geben einem Kraft zurück. Solche Gebäude haben heilende Wirkung.

Die Terrasse war eingefaßt mit einem Beton-Geländer welches aus vielen Säulen bestand. Auch der Hauseingang wurde von zwei Säulen gesäumt. Eine Treppe aus schwarzen Sandsteinblöcken führte von der Terrasse herunter auf die Rasenfläche. Sie selber wurde von einer Natursteinmauer im geschwungenen Stil begrenzt. Oberhalb dieser Mauer wuchsen vielerlei Arten Gehölze und Sträucher, wenige Stauden. Ein paar Lebensbäume, eine Magnolie, eine bereits blühende Zaubernuß und Hortensien fielen mir auf, standen teilweise oben oder einfach im Rasen. Außerdem dominierte eine überlebensgroße, mindestens 20m hohe, etwa 80 Jahre alte Weißtanne den hinteren Gartenteil. Sie spendete viel Schatten. Das Haus wirkte kompakt, hatte oben abgerundete, große Fenster, die Türen immer genau in der Mitte. Weiß und dunkelgrau waren die dominanten Farben, was alles aber nur seriöser wirken ließ.

Ich habe mich sofort in diesen alten Stil verliebt. Das, was heute gebaut wird kommt dem nicht mal im Ansatz nah, wirkt meist kahl und kalt, fast schon klinisch von den Farben und den Materialien her. Es ist mein subjektiver Eindruck, ohne sagen zu wollen, daß früher ja alles besser wäre. Darum geht es mir hier gar nicht.

Würde ich einen Garten für mich bauen, er wäre aber ähnlich wie dieser. Er bringt Natur und Wohnkultur in eine wohlgeformte Einheit, ohne einen brutalen Cut zu erzeugen. Genau das ist die Kunst: Nicht alles faschistoid geschniegelt in Form zu bringen, sondern auch fließende natürliche Formen einfließen lassen, mal einen Baum frei wachsen lassen, hier mal eine Hecke gerade schneiden, da eine Steinmauer geschwungen auslaufen lassen. Es braucht natürlich auch Jahre bis die Pflanzen so eingewachsen sind, daß es zu seinem Gesamtbild zusammenfindet. In Verbindung mit der klassizistischen Architektur wirkt es dann nämlich wie eine Einheit.

Ich kann das alles auch nicht so präzise in Worten beschreiben wie der Gesamteindruck in mir nachhallt. Die Bewohner des Anwesens wirkten auf mich aber gesünder, hatten offenere Augen, wirkten zufriedener. Beweisen kann ich natürlich nicht, daß es an diesem Wohnumfeld liegt, aber ich vermute es stark. Sie können nämlich nur dankbar sein, so ein Juwel ihre Heimat nennen zu können.


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