Tutorials sind nett, aber wer das selber nicht versucht umzumünzen, der kann sich das gleich sparen. Das kommt mir jetzt so. Man schaut sonst nämlich nur, wie jemand anderes etwas kann, und wie derjenige versucht das einem nahezubringen. Aber wieso macht man das, wieso schaut oder hört man sich das an, wenn man es nicht selber tun möchte?
Mir fällt das auf bei den YouTube-Klaviertutorials von Thomas Forschbach, mit denen ich hin und wieder gerne arbeite. Ein sympathischer Musiker, der wirklich hervorragend Stücke erklärt, und von Anfang bis Ende mit viel Ausdauer für Anfänger durchexerziert. Man sieht, daß er es gerne macht. Die Einnahmen durch Klicks, die er dadurch generiert sind da nur ein netter Nebeneffekt, kommt mir so vor.
Jedenfalls konnte ich durch ihn schon mehrere Stücke erlernen, möchte jetzt auch mein altes Keyboard verkaufen, weil ich jetzt nur noch am Klavier übe. An "Für Elise" von Beethoven sitze ich aktuell. Natürlich ein Klassiker, aber dadurch nicht automatisch ein Selbstläufer.
In den Kommentaren sind die meisten sehr dankbar für das kostenlose Angebot. Ich meine, man findet es einfach im Web, und kann es für sich nutzen. Besser geht es doch gar nicht. Du mußt keine Noten kaufen, keine Lehrer buchen, sondern einfach nur das als Stütze nehmen, um selber ganze Stücke zu erlernen. Ich meine, was will man mehr?
Früher habe ich auch nie ohne Noten spielen können. Ich dachte, ich könne mir nie alles merken. Falsch gedacht! Jetzt geht es zu meiner Überaschung sogar ohne. Und je öfter ich wiederhole, desto eher geht es in Fleisch und Blut über, und man muß nicht dauernd über die Folgen nachdenken. Hätte ich so vorher nie herausgefunden z. B. für "River flows in you" oder "Comptine d'un autre été". Ich bin immer wieder verblüfft, wie das aus meinen Händen fließt.
Eigentlich will ich den Fokus jetzt nicht auf die Mäkler legen, aber hier finde ich es doch sehr aufschlußreich. Folgender Kommentar:
Ich weiß immer nicht, was ich von diesen tutorials für nicht-musiker halten soll.
Klavier muss immer als idioten-instrument herhalten, weil man jedem affen beibringen kann, in welcher Reihenfolge er welche tasten drücken muss.
Warum nicht mal mit musiktheorie anfangen... Dann hat man vernünftige basics. Klar, viele leute wünschen sich, klavier spielen zu können, aber ganz ehrlich, können sie das, wenn sie so ein tutorial gesehen haben???
Es gibt eine sprache für musik, dafür muss man noten lesen können. Mit sowas lernt man es nie 'richtig'.
Rhythmus etc. Aber Hauptsache Spaß.
Ich meine, wenn Musik keinen Spaß macht, wofür spielt man sie dann, kommt mir sofort. Es ist dünkelhaftes, elitäres Getue, das Musikmachen als ein ausschließliches Privileg für "Könner" zu postulieren. Solche Leute bilden sich ein, sie könnten entscheiden, wer das Recht darauf hat, Musik zu machen, und wer nicht. Und für ihn/für sie sind das die, die die Theorie beherrschen, die am besten wohl auch noch ein Zertifikat und ein abgeschlossenes Studium vorweisen können, oder?
Im Ansatz ist da schon alles verraten, nicht nur was die Musik angeht, sondern was das Leben spielerisch und schön macht. Mir kann so jemand nur leid tun, denn er vegetiert in seinem kalten, dunklen Verstandeskeller. Hier in Deutschland grassiert das meiner Beobachtung nach besonders stark. Man muß was vorweisen können. So wie man ist, als natürliches Wesen mit seinen einfachen Interessen hat man gefälligst die Schnauze zu halten. Die Experten können reden, haben Ahnung, man selber muß aber klein anfangen. Aber fangen die, die einem das erzählen, selber klein an? Fangen die selber an Klavier einzuüben, um zu merken, daß es kein Instrument für Affen ist, sondern eine Kunst, die rational über Noten nur marginal zu erfassen ist, wo das meiste über Gefühle geht, die der Spieler in sein Spiel legen muß? Ob mit oder ohne Theoriekenntnis? Daß das Eigentliche, was ein Stück ausmacht, von woanders kommt? Die sogenannte "Sprache der Musik".
Ich höre aus dem Kommentar nicht heraus, ob er oder sie selber spielt. Die Person selber kommt nämlich gar nicht drin vor. Entweder ist es Neid, weil jemand anderes etwas gut kann, oder Frust, weil er selber schon seit Jahren auf seine akamedische, kalte Art versucht zu spielen, wobei es dann ja kein Spiel ist, sondern etwas, was ich gar nicht benennen kann. Jedenfalls wird in dem Kommentar nur niedergerissen. Man steht mit leeren Händen da. Man ist halt noch nicht so weit.
Gut, dem Veröffentlicher kann das da egal sein. Es ist ein Kommentar von Hunderten. Für ihn ist das ein Angebot, und wer es nimmt, kann ihm egal sein. Wer mehr wissen möchte, wird auch weiter forschen, wird auch mehr wissen wollen, auch Musiktheorie, wie auch immer. Wer aber nur spielen möchte, dem reicht das vollkommen aus. Und die meisten Menschen wollen nur ein wenig spielen. Nicht jeder möchte Musiker werden; ich z. B. nicht, es ist nicht meine große Domäne. Aber ich spiele hin und wieder gerne. Und solange man daran Freude empfindet, kann nichts, aber auch gar nichts, die Sache "richtiger" machen. Man wird von selber versuchen sie besser zu machen, wenn sie einen nicht befriedigt. Und hangelt sich so immer weiter, bis man vielleicht doch mal sehr gut spielt, wo andere einem dann Beifall klatschen. Das ist aber nicht der Punkt.
Wie gesagt: Wieso schaut und kommentiert so jemand ein Video, was er selber gar nicht anwendet? Das ist nämlich schon interessant. Ihm paßt da etwas nicht, aber nicht, weil es so unmöglich und falsch ist - das ist es nämlich nicht, ganz im Gegenteil! - sondern wie ich vermute, weil es seinen Stolz triggert: Wie kann es jemand wagen, mein persönliches Instrument so preiszugeben, als ob das jeder lernen könnte! Das können nur so großartige Persönlichkeiten wie ich, die sich das über Jahre hart erarbeitet haben. Und jetzt kommt da so jemand, und verschenkt das einfach so. Nein, eben nicht! Wer nichts tut, der kann es dadurch auch nicht einfach plötzlich; da werden die Ebenen verwechselt, die des Konsums und die der Praxis.
Ich gehe ja auch nicht in eine Fahrschule und lamentiere, es wäre ja keine Richtige, weil sie nicht die Informationen streuen, die ich für richtig halte, weil ich auf eine bestimmte Art meinen Führerschein erworben habe. Sollen die anderen doch so lernen, wie sie es für richtig halten. Was interessiert mich das, wenn ich selber bereits fahren kann? Und wenn ich es nicht kann, und es möchte, dann wähle ich das Angebot, was mir zusagt. Und damit habe ich schon genug zu tun. Und an meinen Ergebnisse sehe ich ja dann auch ganz direkt den Fortschritt.
Um beim Klavier zu bleiben: Ich sehe für mich eindeutig einen Fortschritt. Wieso also nicht Spaß haben? Wieso nicht an dem Punkt anfangen, wo man ist, die Lieder einüben, die einem gefallen, einfach so, von jetzt auf gleich. Kein hartes Training, keine Selbstfolter, der man sich aussetzen muß. Die Schwierigkeiten kommen so oder so, aber die nimmt man mit. Wenn es zu leicht wäre, wäre es ja auch wieder langweilig.
Man muß wirklich höllisch aufpassen, darf sich von den falschen Charakteren nicht einreden lassen, man wäre noch nicht soweit. Absolut. Sowas läuft wirklich subtil, ist dann getarnt unter einem "gut gemeint". Ja, du bist noch jung, irgendwann bist du dann endlich soweit. Besonders ehrlichere Menschen glauben das, weil sie sich selber auch zugeben, daß sie viel nicht können. Aber das ist ein ganz heimtückisches Gift, weil dir der andere damit vormacht, er wäre schon an einem ganz anderen abgeklärten Punkt, wo er sich selber die Finger nicht mehr schmutzig machen muß. Und von dieser Kanzel aus schaut so jemand ganz arrogant auf dich herab.
Der wahre Lehrer ist selber immer auch in der Praxis, d. h. er kommt gar nicht auf die Idee solche Kommentare abzugeben. Er lehrt durch Tun, durch Hinweise, die sofort umsetzbar sind, die dich nicht klein machen, sondern die dich aufrichten wollen, die dich ermuntern weiter zu probieren, weiter zu experimentieren, um selber zu eigenen Aufschlüssen zu kommen. Er hebt dich damit automatisch auf seine Stufe, während der andere es einfach nur genießt über dir zu stehen.
Lernen ist immer freudig, und wer einem etwas anderes weismachen möchte, der gehört aus dem eigenen Leben maximal verdammt, weil derjenige nur Schaden anrichtet, nichts anderes. Der soll sich dann eben schön "weiterentwickeln", kann schön sein "Wissen" sammeln und Theorien pauken, mit denen er sich dann besonders weit vorkommt. Mit Leben hat das jedenfalls nichts zu tun. Und was für ein Glück, daß das so ist.
Wer also durch die geeignete Methode selber seine Erfolge direkt sieht und spürt, der hat schon gewonnen. Wen derjenige alleine durch solche Tutorials vorankommt, vielleicht sogar richtig, richtig gut wird, der kann sich dann noch so sehr von einem "Erfolgreichen" erzählen lassen, es wäre nicht der richtige Weg. Der kann ihn doch nur auslachen. Dann soll der doch meinen, er hätte die einzig richtige Art und Weise, wie etwas zu funktionieren hat. Wenn er sich dadurch gut fühlt, ist doch Ok. Und wenn nicht, eben, sich selber überlassen. Damit hat man nichts zu schaffen.