Es geht um etwas, was hinter den Wahrnehmungen ist. Die Wirkung meines Spaziergangs an meiner Kindheitsstätte hallt weiter nach.
Dieser Ort wirkte kleiner als früher. Als Kind war es für mich die große weite Welt direkt vor der Tür, es war absolut. Kameraden, Schule, Supermarkt, Natur, alles war da. Es war meine Lebensumgebung, die einzige, die ich kannte. Als ich dort vorgestern herumgegangen bin, kam mir dieser Ort so vor, als wäre er in einer kleinen Schneekugel konserviert, irgendwie irreal.
Alles schien so vertraut, und doch so anders. Was vertraut ist, so kommt mir jetzt, ist aber nicht das, was ich sehe - wie gesagt: das hat sich an vielen Stellen auch gravierend verändert - sondern ein Gefühl hinter der Wahrnehmung. Es ist wohl etwas, was Menschen Heimatverbundenheit nennen. Was ist also diese Heimat?
Man verbindet das gerne mit Menschen. Die Leute, die ich dort sah, waren mir aber fremd, Erwachsene wie Kinder. Als ich dort lebte, waren da andere. Oder sie sind älter geworden. Jedenfalls hat mich niemand dort erkannt. Ich schaue schließlich auch anders aus als mit 12.
Mit Heimat verbinden die Menschen den Ort, an dem sie zum ersten mal das Gefühl hatten, zu leben. Ist es nicht viel eher Präsenz? Das Gefühl voll da zu sein, wo man ist, da einfach angekommen zu sein, ohne woanders hin zu wollen? Dieser Urzustand, den viele dann in ihrer Kindheit irgendwann vergessen, und sich wehmütig wieder herbeiwünschen? Und gerne dann auch an ihre Familie, ihre Stadt, ihr Volk, ihre Nation heften, weil sie das damit irrtümlich verwechseln?
Nein, die wahre Heimat ist all das nicht. Sie ist etwas, was auch jetzt da ist, egal, wo ich bin. Sie ist ortsungebunden. Sie hat keine bestimmte Sprache, besteht nicht aus bestimmten Menschen, hat keine Bindung an Alter. Sie ist überall da, wo ich jetzt bin. Sie ist keine Erinnerung und nichts, was zu errichten wäre.
Sie ist aber in all dem mit enthalten. Die Orte, die Kultur, die Menschen existieren nicht von sich aus, sondern sie erhalten ihren Wert erst durch das Licht der Anwesenheit. Und das ist dann Heimat, einfaches Ankommen.
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Zurzeit habe ich kaum den Impuls irgendwohin zu fahren, wenn ich nicht muß. Urlaub ist ja generell eine beliebte Aktivität. Manchmal habe ich das auch: Los in die Berge, oder wieso nicht mal in eine andere Stadt. Aber das hat doch sehr nachgelassen. Ich weiß nämlich, daß ich woanders genau mit denselben Fragestellungen konfrontiert wäre, wie hier. Mit Menschen hätte ich auch woanders zu tun, also wieso nicht gleich mit denen vor Ort?
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Heute wieder in der Sauna gewesen. Entspannung. Eben: Einfach ankommen. Und doch bin ich wieder im Dampfbad an den Punkt gekommen, wo der Verstand Panik bekommt. Der Körper liegt nur noch da, und verschmilzt mit der wärmenden Feuchtigkeit und den Kacheln. Immer weiter, immer tiefer, bis er sich fast aufzulösen scheint, wie ein Tropfen im Ozean.
Herkömmlich ist ja die Rede davon, daß Entspannung angenehm sei. Würde ich aber so heute nicht bestätigen. Bei wirklicher Entspannung muß nämlich jegliche Kontrolle losgelassen werden, jeder Muskel frei sein, zu tun, was er möchte. Und das ist das Letzte, was das Ego will. Eher springen die Leute lieber schnell raus aus der Sauna, als das! Da ist dann doch die Gefahr zu stark, zu sehr in Kontakt mit sich zu kommen. Bisschen an-entspannen ist noch Ok, aber ich bestimme, wie weit!
Heute wurde ich ziemlich unruhig und hibbelig. Der stärkere Pfefferminz-Geruch, das Tropfen von der Decke, der kratzende Schweiß auf der Haut haben nicht ganz zugelassen voll einzutauchen, immer ein wenig abgelenkt. Auf der Liege im Ruheraum ging das dann schon eher. Aber in der Wärme geht das noch viel effektiver. Alle Partien werden weicher, die wärmespendende Umgebung lädt ein zur Hingabe.
Ich werde diesen Winter damit weiter experimentieren, wenn möglich kontinuierlich jede Woche.