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Was ist hier los! (Update 20.40h)


Bei einem kleinen Spaziergang sind mir eben einige Dinge durch den Kopf gegangen, die ich hier unbedingt mal festhalten möchte:

Ich bin aufgewachsen in dem Glauben, daß hier eine Demokratie herrscht, daß Menschen frei sprechen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ihres Hab und Guts beraubt zu werden. Daß sie ihre Meinung kund tun können, ohne körperlich bedroht zu werden, oder in Gefangenschaft zu geraten. Nach und nach bricht aber diese Fantasyworld zunehmend in sich zusammen. In der Schule hieß es, daß das Relikte früherer Zeiten sind, die nicht wiederholbar sind, weil haben wir schließlich nicht aus Fehlern gelernt? "Wir", vor allem.

Was ich jetzt deutlich sehe: Diesem "Wir" ist es scheißegal, ob die Freiheitsrechte eines anderen beraubt werden. Dieses "Wir" interessiert sich einen Dreck dafür, ob andere für sie Verantwortung übernehmen und Mißstände ansprechen. Dieses "Wir" will in Ruhe gelassen werden. Solange dieses "Wir" nicht persönlich gravierend betroffen ist, ist es diesem "Wir" völlig egal, was sonst um sie herum passiert. Wenn Diebstahl toleriert wird, wo ist dann noch die Grenze? In der Geschichte sieht man ganz genau, zu was Menschen in der Lage sind, wenn sie meinen, selber auf der angeblich richtigen Seite zu stehen. Befehlsbefolger manifestieren dann regelrechte Tyranneien.

Ich bin jetzt schon betroffen. Nicht nur, weil mir jetzt schon mehr als die Hälfte meines Einkommens abgesaugt wird, sondern weil ich jetzt merke, daß ich völlig alleine bin. Dieses "Wir", dieses ach-so-tolerante, tolle, freiheitliche, deutschsprachige Gemein- und Sozialwesen hilft niemandem in der Not. Mir nicht und dir nicht. Es pfeift auf dich. Auch Leute, die sich vorher Freunde nannten, können dir nicht mehr helfen, wenn dich Menschen im Namen des Staates bestehlen. Du bist da völlig auf dich gestellt. Wenn du Familie hast, dann ist die auf dich angewiesen. Solche Zeiten sind jetzt angebrochen.

Vorbei sind die Zeiten der Innerlichkeit und der Harmonie. Jetzt wird mit anderen Bandagen hantiert. Und da muß jeder genau achten, wo er bleibt, wie er zurechtkommt. Aufklärung und Diskurse können noch die anstreben, die so viel Energieüberschuß haben, daß sie dafür noch Pulver verschießen können. Offene Austausche sind wenn dann nur mit wenigen, aufgeschlossenen Menschen im Flüsterton möglich.

*

Die Situation kommt mir aber, wenn ich genauer hinschaue, sehr bekannt vor.

Bereits meine Kindheit war in einem unfreien Klima. Dafür mußte ich auch nicht dauernd geschlagen oder eingeschüchtert werden. Es reichten punktuelle Stiche, damit ich wußte, woran ich bin. Damit ich wieder eingeschüchtert in die Box zurückweiche. Da mußte ich genauso gucken, was ich darf und was nicht. Und auch heute weiß jeder, was erlaubt ist, oder nicht. Das hängt wie ein Schild über allen menschlichen Interaktionen, sei es draußen auf der Straße oder hier im Internet.

Meine Lösung war früher, daß ich, so oft es geht, Orte und Menschen aufgesucht habe, an denen mehr ging. Und die gab es. Das waren Verwandte, Bekannte oder Kumpels. Oder ich war einfach alleine. Da konnte ich auch andere Verhaltensweisen an den Tag legen. Und diese Möglichkeit gibt es auch jetzt. Es wäre falsch überall provokativ und rebellisch aufzutreten. Eine wachere Intelligenz ist nun gefragt.

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Genau. Vorhin war ich noch kurz in einem Buchladen in der Innenstadt. Jemand scheint da heute Abend eine wichtige Lesung zu halten. Irgendein junger Autor. Ich habe kurz in das Buch hineingeschaut, und konnte nur noch mit dem Kopf schütteln.

Wie gesagt: Ich könnte hier jetzt ins Detail gehen, aber ich traue mich kaum zu erwähnen, worüber er schrieb. Und wie verdreht seine Sicht ist. Ihr könnt euch ja schon denken, worüber es da ging.

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Aber mir kommt jetzt erst: Der Autor soll das Schreiben, was er will. Natürlich. Auch wenn ich es falsch finde. Das ist ja eben gerade das, worüber ich geschrieben habe.

Nun ist die Art und Weise, wie er über das Thema schreibt auf Linie. Diese Meinung bleibt sowieso unangetastet, weil sie durch die Mehrheit oder den Zeitgeist gestützt ist. Die Wahrheit kommt ja eben bei denen raus, die das nicht sind. Und jeder Mensch, der echt ist, ist nie auf einer vorgegebenen Linie. Er weicht ab, ist mal so, mal so. Wenn das beschnitten wird, ist potentiell jeder andere ebenso in der Gefahr. Das macht das so brisant. Du kannst nicht trennen zwischen der Situation bei dem, oder bei dir. Wenn es einen erwischt, wieso sollte es nicht auch noch dich erwischen? Deswegen ist da jeder betroffen, ob er es nun wahrhaben möchte, oder nicht.


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