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Nochmal zu Sport


Heute bin ich nach Erding gefahren, und habe mir das Spiel meiner alten Handballmannschaft angeschaut, die dort ein Auswärtsmatch bestritten. Mittendrin bin ich jedoch abgehauen, und war froh wieder draußen zu sein, in der Kälte, und über die von buntem Laub übersäten Wege zu gehen. Dort, wo zwar niemand ist, aber wo alles Überflüßige von einem erleichtert abfällt.

So klar war es noch nie: Dieses Gekämpfe und Geschreie ging so dermaßen auf den Geist, daß es nicht mehr auszuhalten war. Dann das Geschrei der Leute, die meinen, die Mannschaft oder Gruppe mit der sie sich identifizieren, pushen zu müssen. Oder wie versucht wird, den Schiedsrichter zu verunsichern. Das alles kann ein einigermaßen gesunder Mensch einfach nicht lange ertragen. Dafür ist auch das Leben einfach zu kurz.

Völlig unwichtig wer gewinnt oder verliert, nichts ist unwesentlicher. Im Auto hatte ich noch „Schamane in Deutschland II - Weg-Logbuch, Sei nie wieder derselbe, Band 1“ liegen. Schlug dabei ein Kapitel auf, und siehe da, genau die Erklärung auf die Fragestellung:

[…] Es ist auch die Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit, die mir zusagt. Man kann einfach dort hingehen und sich zum Üben hinstellen (Anmerkung: GL meint hier das Golfen) - und wird zu nichts genötigt, muß nichts mitmachen, wird aber deswegen auch nicht als Außenseiter abgestempelt. Es ist eine ganz ruhige, bescheidene Sache; Angeberei und Eitelkeit zählen hier nicht. Denn was einer trifft oder nicht trifft, das geht nur ihn etwas an, und erst recht, wie er sich dabei fühlt und was er alles dabei mit sich selbst auszumachen hat. Genau so ist jeder frei, mit anderen Kontakt aufzunehmen und ungezwungene Gespräche zu führen. Es muß in der Natur der Sache liegen, daß das hier so problemlos abläuft. Es gibt nicht die vielerorts üblichen Konkurrenz- und Dominanzsituationen, das Übertrumpfen anderer, um sich den eigenen Wert zu beweisen, den Duellcharakter, das Gieren nach Bewunderung oder das Gruppendenken. Es gibt in gewissem Sinn auch keinen akkumulierbaren Vorsprung, denn jeder kann schon im nächsten Moment mit dem Versagen konfrontiert werden, keiner ist gefeit dagegen, sich lächerlich zu machen. Die Sache ist zu offen, zu sprunghaft, zu wenig kontrollierbar, zu sehr ist sie wetterwendischen Schwankungen und Veränderungen unterworfen, als daß man sich je einbilden könnte, sichere Macht über sie ausüben zu können - im Gegenteil, wer hier machtlos ist, wer hier Einflüssen unterworfen ist und wer jederzeit zum Spielball der Dinge werden kann, das ist man selbst.

So, und Mannschaftsportarten machen aber genau das, nur bedauere ich, das die sechs, sieben Jahre lang, die ich da mit dabei war, gar nicht bemerkt zu haben bzw. meine Position darin gar nicht wahrnehmen wollte. Ich war genau der Außenseiter, der als Torwart den Hampelmann hinten gemacht hat, der aber deswegen auch etwas abseits vom Spielgeschehen war. Das Ziel war gruppenorientiert, du konntest nicht einfach mal weggehen. Die Gegner müssen besiegt werden, um sich selber zu beweisen, daß man doch wer ist.

Natürlich, es hat auch Spaß gemacht, von der Bewegung her, von dem Ausreizen der Körperelastizität, vom Spielen mit dem Ball, aber das auf einer Bühne vollführen zu müssen, wo andere dir Druck machen, dir angebliche Fehler vorwerfen, das macht das Wichtigste kaputt. Und das ist nur die Freude im Hier und Jetzt, und da wo gekämpft wird, wo es um Punkte in Meisterschaften geht, wo die andere Mannschaft nur aus Konkurrenten besteht, die einem da auf dem Weg zum Sieg im Weg stehen, genau da ist das zarte, spielerische Pflänzchen namens Spontantität in ihren Anfängen erstochen, erdrosselt und vergraben.

Ich weiß nicht, was mich getrieben hat, da nochmal hinzugehen. Vielleicht ist es einfach Nostalgie, weil es eine Aktivität war, die mich lange Zeit beschäftigt hielt, wo ich rausgekommen bin, wo wir mit der Mannschaft auch weite Strecken mit dem Auto gefahren sind, neue Orte und Sportstätten besuchten. Aber das alleine? Da kann ich genauso gut selber mit dem Auto irgendwo hinfahren, und der Zweck, der ist beliebig austauschbar, sei es ein Handballspiel oder eine Bergwanderung. Es geht also mehr um dieses Gefühl, hier gemeinsam ein Projekt zu starten, aufzubrechen und erfolgreich zu gestalten, was mir da beim Handball ein gutes Gefühl gegeben hat. Muß man dafür aber andere besiegen? Kann es überhaupt Verlierer geben? Wohl kaum.

Es heißt zwar immer Spiel, aber was ist ein Spiel? Ein Spiel ist frei und ergebnisunabhängig. Ein Spiel befreit, weil es im Gegensatz zum restlichen Leben ein offener Raum ist, in dem experimentiert werden kann, wo es nicht um das Überleben geht, ums Geldverdienen. Wo ist also der Sinn, diese Bedeutung von Spiel so umzudeuten, daß man daraus ein Programm macht, um das eigene Ego zu päppeln. Z. B. bei Brettspielen, wo es dann darum geht, mit dem eigenen Wissen andere auszustechen. Das Spiel wird benutzt für einen Demonstrationszweck. Jedes noch so schöne Spiel geht dadurch kaputt.

Im Falle des Handball: Eigentlich ist es kein schöner Sport, das muß man sich mal eingestehen. Ästethik und Grazie findet man eher woanders. Aber es bleibt ein Spiel. Und es hat mir jetzt nun doch einige Lektionen mit auf den Weg geben können.


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