Hier zu sehen ist "Die Hochzeit zu Kana" von Paolo Veronese aus dem Jahre 1563 (!). Mir ist einst beim Besuch des Louvre in Paris dieses Bild gleich gegenüber der Mona Lisa extrem reingefahren. Es war ca. 6 Meter hoch und 10 Meter breit und bedeckte fast die ganze Wand. Ich stand wie gebannt vor diesem Bild. Mich hat es schier überwältigt. Nicht nur die Detailtreue, sondern die gesamte Wirkung der Größe und Raumtiefe war sehr tiefgreifend. Mich hat es fast erschlagen als ich es plötzlich sah, wo doch fast der ganze Fokus der Menschen in dem Raum auf die kleine Mona Lisa ging. Mich aber faszinierte mehr der Anblick dieses monumentalen Gemäldes, welches ich gar nicht genug studieren konnte.
Was ich in dem Bild gesehen habe, war etwas ganz anderes, als für was die meisten es halten. Die herkömmliche Interpretation geht von der biblischen Geschichte aus, in der Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, die auf dem riesigen Gemälde aber ganz offensichtlich im rechten, unteren Eck nur eine untergeordnete Rolle spielt. Viel mehr möchte ich aufzeigen, was die eigentlich Intention des Malers gewesen sein muß bzw. was mir sofort auffiel.
Es ist die Tatsache, daß Jesus, - der in der Bildmitte sitzt - neben einer Frau unten links, der einzige auf dem gesamten Bild ist, der den Betrachter des Bildes direkt ansieht. Es ist der direkte Verweis und Fingerzeig auf dich selber. Ich wurde im selben Moment in eine Präsenz gezogen, die komplett entgegengesetzt der Zerstreuung liegt. Die Zerstreuung der Aufmerksamkeit wird im Gemälde durch die ganzen Menschen gezeigt, die mit allerlei beschäftigt sind, mit Musizieren, Essen, Trinken, Reden, Diskutieren, Beobachten und Denken. Alle haben den Fokus auf äußere Dinge und wirken weggetreten und verloren. Genau so empfand ich mich dann auch mit den ganzen Menschen in dem Raum im Louvre.
Der größte Fehler ist der, daß man jetzt Jesus anhimmelt und sagt, daß er wichtig sei, weil er in der Bildmitte sitzt, und diesen Heiligenschein um seinen Kopf hat. Darum geht es gar nicht. Es geht nicht mal um die Person Jesus Christus. Es geht um das, was er repräsentiert, was er vermittelt, eben das, worauf er jeden einzelnen hingewiesen hat. Es ist diese Präsenz, dieses einfache Da-sein, da wo man ist, wie man ist, vollkommen in das Zentrum einzusinken, in den Kern des Universums, der man ja ist. Alle Menschen auf dem Gemälde haben das gleiche Vermögen oder Potential, wenn man so will. Jesus ist weder überlegen noch in irgendeiner Art speziell. In Wahrheit ist jeder Mensch, ja jedes Lebewesen seine eigene Bildmitte, nur merkt er es nicht.
Der wahre Christ ist nur der, der diese Botschaft erst wirklich zu Herzen nimmt, und wirklich Jesus in dieser Hinsicht folgt. Der ihn nicht anhimmelt, und die falschen Institutionen, die um diese Bedürftigkeit entstand huldigt, sondern ihm und seinen Worten wirklich folgt, und der - wie er ja auch damals - die ganzen Tempel, Kirchen und Machtstrukturen als lebensfeindlich entlarvt und zu seiner eigenen Wirklichkeit aufsteht. Das ist die eigentliche Berufung. Dafür ist eine Herzensbereitschaft nötig, welches den wahren Wert dahinter erkennt, und die mystische Kraft, die hinter dieser ganzen Symbolik herrscht. Nur, wenn man sich selber in dieser ganzen Dramatik erkennt, kann einem das Ganze etwas geben. Ansonsten bleibt es nur eine tote Geschichte, eine oberflächliche Farce, oder ein abgestorbener Kult ohne jeglichen Sinn und Bedeutung. Um Christus zu kennen, erkenne dich selbst.