Ich merke zunehmend wie wichtig es ist, sich von Tatsachen treffen zu lassen. Nichts mit ihnen machen zu wollen, keine Schlußfolgerungen zu ziehen, was nun zu tun ist, sondern sie einfach mal wahrzunehmen, sie so willkommen zu heißen, wie sie nun mal sind.
Besonders hier in der westlichen Welt gilt das als zu zart, zu uninteressant, zu wenig auf sich aufmerksam machend, so daß das in dieser egodominierten Sicht sofort untergeht, sie direkt ihre Meinungen und Prinzipien als Verdrängung darüberbaut.
Ich lerne dabei, und insbesondere auch durch die drohende Pandemie, wie sehr z. B. auch die Möglichkeit verabscheut wird, daß einfach Stillstand da ist. Daß einfach nichts mehr passiert. Daß diese ewige Getriebenheit mal gezwungenermaßen gestoppt wird, nichts mehr vorangeht, alles mal auf Eis gelegt wird, Quarantäne ansteht. Das darf es hier schlichtweg nicht geben! (Natürlich hat das auch ökonomisch gravierende Konsequenzen, nur möchte ich hier den Fokus auf den inneren Aspekt legen)
Mir fällt auf, daß diese Getriebenheit nichts mit Geilheit aufs Leben, oder übersprudelndem Elan zu tun hat, sondern nichts anderes als Flucht vor sich selber bedeutet. Flucht vor der Konfrontation mit der eigenen Nichtigkeit, der völligen Bedeutungslosigkeit und Kleinheit des oft im Kleinkindalter stehengebliebenen Wesenskern. Da dient dann alles der Aufrechterhaltung einer Scheinbedeutung, die aber genau dann vollkommen in sich zusammenbricht, wenn keine Liane mehr vor dem Fallen ins Nichts bewahrt z. B. wenn alle Arbeit still steht, Lieferungen sich verzögern, Wartezeiten anstehen, oder kein Strom mehr verfügbar ist, kein Smartphone, kein Kaugummi, keine Zigarette gerade bereitliegen. Dann nehme sich ein jeder in Acht, der in der Nähe solcher Leute ist, denn die zeigen dann so richtig ihre häßliche Fratze, die meint auf all das einen lebenslangen Anspruch zu haben. Andere haben ihnen das vor allem gefälligst zu ermöglichen.
Als ich heute über eine Autobahnbrücke spaziert bin, fiel mir z. B. ganz neu auf, mit was für einer Geschwindigkeit die Autos da eigentlich vorbeibrettern, und ich fragte mich, wieso ich oder diese Leute es eigentlich so eilig haben? Wozu? Es ist Samstag, kaum jemand muß zur Arbeit. Brennt es irgendwo? Ist jemand schwanger? Stirbt gerade jemand? Oder wieso wird so dermaßen schnell durch die Landschaft geheizt? Was erwartet einen am Zielort, wenn man vielleicht fünf Minuten schneller ist? In diesen die große Erleuchtung, oder was?
Jedenfalls sind das alles Symptome einer durch und durch kranken Gesellschaft, was dieses Virus auch nur ans Licht bringt (wofür ich letztlich sogar sehr dankbar bin). Es ist nicht so sehr die Angst davor infiziert zu werden, sondern vielmehr einfach nur sich selber ausgesetzt zu sein, auf sich selber zurückgeworfen zu sein. Dadurch würde auch automatisch eine Neuüberprüfung entstehen z. B. auf Verhalten in der Öffentlichkeit, Waschen der Hände, Vermeiden von Körperkontakt. Da kann man nicht den distanzierten Durchblicker spielen, sondern muß ganz praktisch bei sich genauer hingucken. Nur wollen die meisten das eben überhaupt nicht, lenken sie sich sonst dauernd genau davon ja ab: Sich von etwas persönlich betroffen zu fühlen. Dort die entsprechende Verantwortung zu übernehmen.
Es ist also nicht das Virus, auf das die Deutschen entweder verängstigt oder abgehoben reagieren, nein, es ist das, was das Virus bedeutet, und das ist einfach nur Möglichkeit auf Einkehr, Stille, Sein mit sich, ohne überhaupt krank sein zu müssen. Das alleine scheint schon riesige Probleme zu machen, und nicht die Krankheit.
Gut für jeden, der es schafft, schon jetzt damit kein Problem zu haben. Damit ist er all jenen, die im Krisenfall erstmal völlig unvorbereitet und ungewohnt ins Bodenlose fallen, hundert Schritte voraus.
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