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Pseudodemokratie

Gerade bin ich vormittags zufällig am Wahllokal im Dorf nebenan vorbeigelaufen. Heute sind nämlich Landtagswahlen hier in Bayern. Per Briefwahl habe ich das schon hinter mich gebracht, deswegen bin ich auch nicht reingegangen. Und was soll ich sagen: Die ganze Attitüde der Leute, die ich da kurz vor dem Gebäude gesehen habe, war für mich harmlos ausgedrückt ziemlich befremdlich. Denn diese Leute bilden sich tatsächlich ein das wäre Demokratie, alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen - und damit schön die Verantwortung abzugeben an Funktionäre, die sich gefälligst schön um alles hier kümmern sollen. Sie selber wollen ansonsten nichts mit all dem, was hier in diesem Land, in dieser Umwelt passiert, zu tun haben, haben das mit ihrem Kreuzchen für die nächsten Jahre schön von sich abgewiesen.


Ich hatte auch das Gefühl, die Leute würden wirken, wie wenn sie zu einem Gottesdienst gehen. Da schwingt nämlich so ein Ding mit, wie wenn das alles total heilig und ungemein wichtig wäre, dieser heutige Gang zur Wahl, ein Moment, wichtiger als alle anderen Momente, was völliger Humbug ist. Wie die Sonntagschristen wird einen Vormittag lang auf religiös getan, aber ansonsten spielt es keine Rolle im eigenen Leben. Und genauso ist die Demokratie in diesem Land ansonsten wie tot: Keine Debatten, keine Lebendigkeit, keine Menschlichkeit ist hier mehr vorhanden, und die neusten Gewaltaktionen gegen Oppositionelle und das gigantische Schweigen dazu, beweisen das so deutlich wie nie zuvor.


Unter dem Aspekt ist Nichtwählen deshalb genauso wenig eine Antwort. Das Wählen einer Opposition ist notwendig, um dem gegenwärtigen Kurs ein klares Nein zu geben. Etwas nicht zu tun, zeugt nur von Resignation und ebenso von Abdankung von Verantwortung.


Es ist aber klar, daß das alleine für einen selber noch keine vollwertige Antwort sein kann, denn was mache ich sonst die ganzen Tage in meinem Leben? Bis zur nächsten Wahl warten? Es ist nämlich klar, daß jeder erwachsene Bürger hier in diesem Land gefragt ist, und zwar nicht nur einmal alle vier Jahre oder wenn er gefragt wird, sondern jeden einzelnen Moment, im Kontakt mit anderen, in der Gesellschaft, in der Familie, im Job, auf der Straße, alleine im Wald, wo auch immer jemand ist. Da gibt es kein Sich-Herausnehmen, sondern jeder ist hier beteiligt und mitverantwortlich für die Umstände, ob er will oder nicht. Und das es hier jetzt so ist, wie es ist, liegt daran, daß dieser Keim einer florierenden Gesellschaft, man selber, schlichtweg vergessen wurde.

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