In der Öffentlichkeit trifft man viele verschiedenen Menschen an. Mir scheint, daß ältere Menschen dabei oft noch beseelt von einer Erinnerung an eine inspiriert gelebte Jugend sind, die sich in neuer Musik, Kleidung und alternativen Lebensstilen zeigte.
Mir gefällt die Ausstrahlung vieler junger Leute heute dagegen nicht. Besonders bei Jungs ab dreizehn bis Ende Pubertät, Studium, Beginn Berufsleben, ist es eine Art aufspielendes, auftrumpfendes und schlagfertiges Verhalten. Bloß keine Gefühle zeigen, bloß nicht nachdenklich oder zögernd wirken. Das könnte z. B. Frauen nicht gefallen. Man weiß ja schon Bescheid, will sich keine Blöße geben.
Natürlich kenne ich dieses posenhafte Getue auch von mir. Abhängen mit Kumpels, in Cliquen, Bar und Disco sind durchaus Orte, an denen man sich ins Szene setzen wollte, besonders wenn Frauen vor Ort waren, die sich aber sehr rar machten. Mir war da jedenfalls meist unwohl, weil kein Fallenlassen, geschweige denn ein normales Gespräch möglich war. Das Tanzen war nicht ausgelassen, sondern verkrampft, das Trinken Usus.
Die hoffnungslose Situation dieser Generation ist an diesen Punkten deutlich zu sehen. Auch bei Studenten ist tote Hose. Weder Aufbruchsstimmung, Sinn, noch Euphorie oder Ideen für die Zukunft. Aber wenn nicht da, wo denn sonst, muß man sich fragen... Von wegen "Boomregion München" denke ich mir dann. Klar im Bauen und dem quantitativen Steigen der Bevölkerungszahl, aber weiter? Was boomt in den Menschen?
In Gesprächen geht es weder über Visionen, noch alternative Ideen oder Lebensstile, sei es spirituell, sexuell, politisch oder was Innovationen angeht. Stocksteif dreht sich das meiste um mich ehrlich gesagt schon nervende Themen wie Umweltschutz, angeblicher Rassismus oder die Naturwissenschaften. Alles ohne Substanz, weil schon zigfach logisch als Hirngespinste oder Sackgassen widerlegt.
Heute macht es für mich Sinn, wieso ich in dieser Gesellschaft nie angekommen bin: Weil sie am Untergehen ist, ich aber noch nicht abgedankt habe. Für mich kann nur so wirklich etwas Neues passieren. Wenn ich auf dieses Land warte - und das merke ich immer stärker - dann verliere ich nur unnötig Zeit. Mag sein, daß vielleicht auch eine Jugendbewegung entstehen kann, die sich z. B. wieder auf echte Werte besinnt wie die der deutschen Klassik oder Romantik, aber damit hätte ich gar nicht so viel zu schaffen. Auch das wären nämlich wieder nur kollektive Strömungen, die wie ja bereits die 60er/70er Jahre zeigen, sowieso nicht von Dauer sind, auch wenn die Erfahrenden sicher sehr dankbar dafür sein konnten, daß es so für sie passiert ist.
Für mich, wie für jeden anderen ist nun eine andere Epoche angesagt, und die fordert weit mehr als sich nur lange Haare wachsen zu lassen und bißchen Rockmusik zu hören. Da kommt eine grundlegendere Transformation auf jeden Einzelnen zu, ob er will oder nicht.
Die Frage ist dabei vor allem, inwieweit man es schafft sich von dieser Masse der Frustrierten und Abgestumpften nicht runterziehen zu lassen. Das heißt nicht sich grundlegend abzuwenden, sondern nur genaustens zu prüfen, was sinnvoll ist und was nicht. Aufklärung ist sicher sinnvoll, wenn es einen Klärungsprozeß bei einem selber begleitet. Die Haltung des Sich-alleine-schwach-fühlen-und-deswegen-andere-rüberziehen-müssens muß grundlegend durchschaut und verabschiedet werden, aus dem einfachen Grund: Weil sie ohnehin zu nichts führt. Es hat keine Effekte, weder für einen selber, noch für andere. Es verstärkt nur die Unbewußtheit.
Der richtige Weg ist immer die Bewußtheit über eine Sache. Das Bewußtsein ist weder jung noch alt. Es ist wie die Klassik etwas Zeitloses, und daher immer die beste Antwort auf Zeitgeistphänomene, wie wir sie heute in extrem starken Wahnvorstellungen erleben, weil es immer die richtige Perspektive bietet. Es scheint nämlich nur wichtig, was da so alles passiert. In Wahrheit kann es gar nicht verrückt genug sein, denn nur so bekommt das Bewußtsein erst den Wert, den es verdient. Es bietet wieder einen freien Ankerpunkt, von dem wiederum neue, kreative Eingebungen möglich sind, die eventuell auch eine Kultur wieder befruchten können. Das ist aber nur Nebeneffekt. Wichtig ist, selber diesen Punkt wiederzuentdecken, an dem man die ganze Zeit schon ist. Das ist das größte Geschenk, daß man sich und allen anderen machen kann.
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