Für Gerhard Löwenthal, jüdischer Herkunft und damals Schüler, war es schwer zu verstehen, weshalb die Nationalsozialisten sein Leben und das seiner Familie mit immer neuen Verboten einschränkten.
Merkt ihr was?
"Von der Regierung aufgezwungen", "seiner staatsbürgerlichen Rechte entkleidet", "hier sollte einer ganzen Gruppe von Deutschen ihre Staatsbürgerrechte genommen werden", "der Lebensraum wurde immer mehr eingeschränkt", "die Berufswahl/-ausübung wurde eingeschränkt", "mein Vater mußte seine Firma aufgeben", "die Verordnungen wurden immer einschneidender", "es gab Verordnungen, die nahmen immer mehr zu", "man durfte keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen", "man durfte bestimmte Straßen nur zu bestimmten Zeiten überqueren", "man durfte in öffentlichen Parks nicht mehr auf den Bänken sitzen", "die Würde des Menschen wurde völlig mit Füßen getreten, man sollte sich als Untermensch fühlen", "die ganze Atmosphäre war die der Abschnürung der Lebensluft (!)"
Mir braucht - wenn all dieser Wahnsinn irgendwann mal eine Ende findet, und ich das dann noch miterlebe - keiner mehr erzählen, er hätte von nichts gewußt. Offenkundiger könnten die Parallelen zu den 1930er-Jahren nicht sein.
Oder wer traut sich noch ohne Maske irgendwohin? Du etwa? Auch so ein blödes Attest interessiert doch kaum eine Sau, du sollst trotzdem am lebendigen Leib ersticken. Du hast gefälligst zu gehorchen, Untertan! Maß dir ja nicht ein, daß deine Empfindung hier noch einen Wert hat.
Der Tonfall der Menschen, diese Gehässigkeit, dieser Genuß am Quälen der heute zu Tage tritt, der läßt es mir kalt den Rücken runterlaufen. Es ging damals nie um die Juden, daß sie z. B. menschlich, faktisch irgendwie schlechter wären, nein, den emotional frustrierten, verkrüppelten Charakteren ging es damals nur darum ihr Gift irgendwo rauszulassen, und dafür kann jede Menschengruppe dienen. Das eigentliche Motiv ist, das, was in einem ungeklärt ist, auf dem anderen abzuladen, z. B. in dem heute anderen Vorschriften gemacht werden können. Ich spüre bei vielen Leuten, daß sie das regelrecht lieben, wenn sie mir z. B. sagen, ich solle die Maske an oder über die Nase ziehen. Es ist die einzige Art, wie diese Wesen - Menschen will man sie gar nicht mehr nennen - noch im entferntesten Lust verspüren.
Die „emotionelle Pest“ drückt sich in vielen Formen aus: in bösem Klatsch und Charakterverleumdung, Pornographie, Bürokratie, zerstörerischem Mystizismus, Streben nach autoritärer Herrschaft über andere, Wucher, Klassenhass, Kindesmisshandlung, kriminellem, antisozialem Verhalten.
Menschen dieser Art machen die Regeln für das Verhalten von Kindern, belegen die Sexualität mit einem Tabu, verfassen die Scheidungsgesetze und sorgen dafür, dass die Menschen sich den Gesetzen fügen, die sie ertragen können.
Sie sind diejenigen, die Nacktbadende oder junge Liebende bei der Polizei anzeigen und uns vorschreiben, was wir lesen und sehen dürfen.
Gelegentlich bricht die „Pest“ in pandemischer Form aus, wie z.B. der katholischen Inquisition des Mittelalters oder des – roten oder schwarzen – Faschismus in unserem Jahrhundert.
Es ist ein Wesensmerkmal der „emotionellen Pest“, dass die Handlungsweise und der für sie angegebene Grund sich niemals decken. Das wirkliche Motiv hinter der Handlung ist immer verborgen und wird durch ein gesellschaftlich annehmbares Motiv ersetzt.
- Baker, E. F.: Der Mensch in der Falle. Das Dilemma unserer blockierten Energie: Ursachen und Therapie, 1980
Und:
„Die Energie, die die emotionellen Pestkranken speist, entstammt regelmäßig unbefriedigbarem Lusthunger, gleichgültig, ob es sich um sadistische Kriegstaten oder um Diffamierung von Freunden handelt.“
– Wilhelm Reich, Charakteranalyse
Ich denke, dieser Masken-, Abstands- und Hygienewahn ist auch Ausdruck der sexuellen Frustration und Impotenz dieser Kultur. Sexuell verkorkste Charaktere haben nun ihre Genugtuung, keine Lebendigkeit mehr in ihrem Umfeld vor Augen geführt zu bekommen, wozu z. B. auch Paare zählen, die sich umarmen oder küssen. Generell Menschen, die lachen und das Leben feiern, werden nun gesetztlich verboten, so irre ist das hier mittlerweile! Das übertrifft jeden George Orwell-Roman.
(aus Wilhelm Reichs "Rede an den kleinen Mann" S. 67)
Das Ding ist: Es ist wichtig, sich nicht zu sehr auf diese Reaktionen zu versteifen. Auch dieses Regime besteht aus lauter Reagierer und dem-Leben-hinterher-Läufer. Das ist keine Elite, deswegen würde ich mich auch nie an die mit irgendwelchen Forderungen und Erwartungen wenden. Was strahlen die aus, was können die? Sind sie lebendig? Nein, also was will ich von einem Betonblock? Das Leben findet hier statt, bei mir, bei dir, bei uns, und alle die das argwöhnisch und mißtrauisch beäugen, die kann man doch nur bemitleiden, um ihr Verpassen von allem, was das Leben eigentlich ausmacht.
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