Das Beschäftigtsein an sich liefert noch keinen Sinn. Es gibt da draußen hunderte von Themengebieten, tausende Betätigungen zum Ausprobieren, zum "Sich-verwirklichen". Kein einziges wird dich jedoch zu dir selber führen. Vielmehr besteht die Gefahr, daß sie ablenken, in Details und Umstände verstricken, die völlige Irrelevanz haben.
Weil man lebendig ist, wird man natürlich etwas tun. Weil ich das Beschäftigtsein als solches nicht für den Hauptpunkt halte, heißt es aber noch lange nicht, daß ich deswegen ein Faullenzer oder desinteressierter Mensch wäre. Das wird einem dann nämlich gerne in einer aktiven Gesellschaft vorgeworfen, die Ansprüche auf Einzelne und deren Energie stellt.
Wer sich das Recht ergreift, einfach anzukommen, mag mitunter sogar sehr einfältig wirken: Da gibt es keine großen Ziele und Errungenschaften mehr, die einen sonst immer motiviert haben. Keine schillernde, beeindruckende Persönlichkeit mehr, die man zu sein anstrebt. All die Versprechungen verlieren ihren Glanz: Olympiasieg, Nobelpreis, Auftritt in Fernsehen, Beliebtheit, Anerkennung, Prestige, beruflicher, finanzieller Gewinn mögen zwar durchaus schön sein, erscheinen aber vermehrt wie ein billiges Imitat, eine Karotte, die man einem Esel vor die Nase hält, damit er sich bewegt. Fakt ist: Man kann alles erreichen, und bleibt trotzdem genau derselbe. Jeder weiß es.
Was kann also durch Arbeit, Hobbies oder Betätigungen jeglicher Art wirklich erworben werden? Im Kern nichts, was nicht jetzt schon da ist. Es geht im Übrigen nicht um das Erwerben von Dingen, Fähigkeiten, auch Verständnis. Das ist vor allem dann klar, wenn man versteht, daß mit dem Ableben all das ohnehin zurückgelassen werden muß. Es kann deswegen also gar nicht so entscheidend sein, wie allgemein angenommen wird. Auch nicht besonders viele, spannende, intensive Erlebnisse zu haben. All das führt garantiert nirgendwohin.
Du wirst lebensunfähig, wenn du dich nicht anstrengst, Junge. Ein Schlaffi, ein apathischer, uninspirierter Stubenhocker, der nicht die Früchte des Lebens aufnimmt. Wer das von mir hält, der soll das halten. Ich erhebe nicht den Anspruch ein besonders interessanter, lebensfroher, immer elanvoll und diszipliniert agierender Mensch zu sein. Und doch weiß ich, daß da eine Energie bei mir am Werk sein kann, die all diese Attribute regelmäßig hervorruft, als Nebenaspekt, ohne daß ich das gezielt anstrebe oder trainiere. Kreativität, Mut zeigen sich. Aber nicht um damit etwas Bestimmtes zu erzielen, sondern einfach als Selbstzweck. Es wäre auch niemals coachbar, weil es dafür kein Rezept und keine Methode gibt.
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Mir fährt das mit den Naturwissenschaften weiterhin sehr stark rein. Das ist keine Kleinigkeit, weil sie ja den Anspruch haben, auf die wichtigen Fragen des Lebens Antworten zu suchen und liefern zu können. Sei es im Mikrokosmos, in den Atomen, Quarks und "Gottesteilchen", oder aber im Makrokosmos im großen weiten Weltall, im Urknall, in schwarzer Materie, fremden Sternen, schwarzen Löchern. Da sind doch die großen Entdeckungen zu machen, die Geheimnisse des Lebens zu lüften, oder? Dann wird ewig geforscht, gerechnet und rumüberlegt, und ich bin der Letzte, der z. B. Raumfahrt nicht auch faszinierend findet, aber wie schon erklärt: Da wird nichts für einen passieren. Es ist Beschäftigung, genau wie ein kleiner Junge mit seiner Spielzeuglokomotive spielt oder ein Schrebergärtner Gartenzwerge in seinem Beet umpositioniert. Nur tun die einen auf wichtig und relevant, mit ihren Titeln und Professuren, während die anderen wissen, daß sie nur spielen.
Ein wichtiger Aspekt ist noch: Welcher Wert wird einer Arbeit in einem gesellschaftlichen Umfeld beigemessen? Die Naturwissenschaften haben einen hohen Stellenwert und werden deshalb staatlich gefördert, in den Universitäten wie eine Religion verehrt. Alleine das sollte einen stutzig machen, denn damit kann man sich sicher sein, daß eine festgefahrene Sichtweise und Perspektive Einzug gehalten hat, die wie das Wort "Staat" bereits entlarvt, statisch, einzementiert und unbeweglich ist. Wie soll da wirklich Forschung betrieben werden, wenn das doch genau das Gegenteil wäre: Wahrer Forschergeist würde gängige Dogmen und Annahmen bereits mit der ersten Frage durchleuchten wollen, würde immer auch zu Konsequenzen und Änderungen führen, kann deshalb auch nie institutionalisiert werden.
Man sieht also: Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Hinter ihr können sich Motive verbergen, die grundverschiedener nicht sein könnten. Und vielfach verbirgt sich hinter ihr eben nur scheinbar ein großer Sinn, besonders dann wenn sich etwas so gebärdet, also müsse es sich diese Frage nicht mehr stellen.
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