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Eindrücke in London


BRITISH MUSEUM:

Kurz und knapp: Der Schaffende und der dumme Pöbel. Das mag hart klingen, ist aber genau der Punkt gewesen. Massen, die durch die Hallen strömen, mittendrin fast schon unsichtbar ein Mann auf seinem kleinen Stuhl, eine ägyptische Statue bestechend detailgetreu nachzeichnend. So gut wie keiner hat ihn beachtet. Nicht nur das. Eine ältere Dame stellte sich einfach genau vor ihn, machte mit ihrem Smartphone ein Foto von der Statue (ich meine, wieso muß man das denn nachzeichnen? Sie kann ja dasselbe mit ihrer Kamera genauso, nicht?). Und nicht nur das: Sie ließ ihre Robe genau in seine Zeichnung hängen, an der er gerade arbeitete. Wirklich absurd.

Es wird mir dadurch immer klarer, daß es zwei Arten von Menschen gibt, was auch durch den Gesamteindruck in der Großstadt, an allen öffentlichen Plätzen klar wird: Die konsumierenden, auf schnelle Reize fixierten Charaktere, und diejenigen, die genau hinsehen, Wahrnehmungen auf irgendeine Weise verarbeiten müssen, produktiv und kreativ. Und die können froh sein, wenn der Mensch der ersten Variante ihn dabei nicht behindert, wie die Dame den Zeichner.

ST. PANCRAS/KING'S CROSS:

Mir gefallen vor allem die warmen Farben, die in dem Pflaster und den Gebäuden verbaut werden: Dunkel- bis hellrot, beige, ocker, bräunlich, orange, an sehr vielen Plätzen in der Stadt. Das erschafft automatisch ein Klima des Sich-wohlfühlens und Sich-erdens. In so einer geschäftigen Umgebung sehr durchdacht.

ROYAL OBSERVATORY GREENWICH:

Im Planetarium die Sterne und das Weltall erklärt bekommen. Atemberaubend, wie der Nachthimmel ohne die übliche Lichtverschmutzung aussehen würde, schier unendlich weit, mit genauso unzählig vielen Sternen.

In all der Faszination für Astronomie und Physik muß aber auch klar sein, daß der Anspruch, den die Wissenschaft erhebt, nach den wichtigen Fragen des Lebens zu forschen, eine maximale Lüge ist. Ja, so deutlich muß das gesagt werden, denn sie ködern mit Fragen wie Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was ist das Universum/die Welt? Was ist die Stellung dieses Planeten/der Menschheit im Kosmos/in der Galaxie, und wie viele Welten gibt es noch da draußen usw. usf.

Das sind durchaus interessante Punkte, die lange bannen können, letztlich aber nur Gedankenspielereien bleiben, die im nächsten Moment wieder vergessen werden, und keinerlei Korrelation mit dem eigenen Leben haben. Deswegen wirken auch all diese Astronomen, wie z. B. die Sprecherin im Planetarium extrem verkopft, u. a. auch gar nicht in Kontakt mit ihrem Menschsein, ihrer Sexualität. Da wird alles mit Erklärungen und Modellen abgehandelt, Sternbilder, Namen für Sterne, Planeten, Galaxien, Konstellationen, Naturgesetze, aber das Eigentliche passiert, wenn der Nachthimmel mal so gelassen wird, und jeder das mal in Ruhe auf sich wirken läßt. Einfach die Wahrnehmung dieser Weite tiefer und tiefer einwirken zu lassen, das hätte vollends genügt, und jedem würde zu seinen eigenen Aufschlüssen kommen.

Natürlich, es muß unterhalten werden, der Verstand möchte Fakten, Erklärungen und Daten geliefert bekommen, das ganze Universum muß in Formulierungen erstickt werden, um ja nicht mit der Unklarheit und Unwissenheit zurechtkommen zu müssen, die mit dem Blick in diese unbekannte Weite einhergeht. Nein, auch dieses Unbekannte muß wieder verobjektiviert werden, nun könnte da dunkle Materie sein, da wo nichts ist. Auch haben wir Glück, daß die Sonne wohl erst in vier Milliarden Jahren verglühen wird bla bla bla. Das muß einfach mal vergessen werden, weil es mit keinem auch nur das Geringste zu tun hat.

Dieser ganze, newtonsche, mechanische Materialismus ist toter als tot, ist endgültig erledigt, durch und durch ungeeignet, irgendeine wichtige Frage wirklich zu beantworten, weil er alles was den Menschen selber miteinbeziehen könnte, völlig ignoriert, wie Bewußtsein, z. B. über die eigene Lage in dieser Welt der Objekte, die fliegen, sich anziehen, wieder abstoßen, interagieren, wechselwirken, scheinbar völlig zusammenhanglos und willkürlich. Ohne wirklichen Sinn und Zweck entsteht ein Universum mit einem sogenannten Urknall, dehnt sich aus und soll mit einem Endknall einfach im Nichts wieder verschwinden? Das habe ich noch nie wirklich verstanden.

ST MARTIN-IN-THE-FIELDS:

Um mich von diesem kalten Guß englischer Rationalität zu erholen, ging ich auf ein Konzert des Belmont-Ensemble in der Kirche St Martin-in-the-Fields am Trafalgar Square. Gespielt wurden Stücke von Bach, Vivaldi und Händel, und das war genau das, was ich brauchte: Ein Ansprechen des ganzen Menschen, nicht nur seines Kopfes. Alleine mit dem Eindringen dieser Musik, wird langes Nachdenken und Spreizen des Intellekts als überflüßig erkannt.


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