Mir fällt auf: Nur weil jemand ein Handwerk beherrscht, eine Firma gegründet hat, soziale Fertigkeiten pflegt oder ein Instrument beherrscht, zeigt es zwar, daß dieser Mensch in bestimmten Bereichen meinen vollsten Respekt verdient hat, jedoch nicht automatisch auch von Selbsterkenntnis eine Ahnung hat. Das habe ich immer verwechselt. Ich dachte, daß jemand, der weiß wie man z. B. Geschäfte führt und Geld verdient, mir grundsätzlich etwas voraus hat, und deswegen mir auch seine Ansichten ins Gesicht drücken darf. Ich habe mich deswegen zu bücken, weil meine mangelnde Kompetenz mehr nicht erlaubt.
Hier übernehme ich Normen, die mich kleiner machen, als ich bin. Aus falscher Bescheidenheit stecke ich alles zurück, was mich noch in irgendeiner Weise in meinem Ausdruck zeigen könnte. Ich bin ja schließlich ein Nichts, also habe ich auch nichts zu melden. In sozialen Interaktionen lasse ich andere reden, auch wenn vieles einfach nicht stimmt, auch wenn ich Begebenheiten besser verstanden habe (man kann ja schließlich nicht mehr über bestimmte Dinge reden, die anderen würden das sowieso nicht verstehen, bla bla). Mit Frauen lasse ich es zu, daß ich mich selber aus dem Spiel nehme, zu viel Energie zu investieren wäre ja nur ein Zeichen meiner Bedürftigkeit. Im Beruf lasse ich mir mangelndes Engagement anhängen, aber als höriger Angestellter hat man keinen Widerspruch zu leisten, das würde nur die Betriebsharmonie stören.
Solche Dinge laufen bei mir regelmäßig ab. Ich will das nicht bewerten, sondern einfach mal festhalten. Es ist nämlich genauso der Verstand, der eine bestimmte Durchbruchshandlung von mir mit Druck verlangt, auf der anderen Seite dann aber bitterböse mit mir als Feigling und Taugenichts abrechnet, wenn das geforderte Handeln nicht umgesetzt wird. Wie ich bisher erfahren habe, ist der Weg durch das Nadelöhr der ohnehin vorhanden Energie jedoch nie ein Krampf, der durchgewürgt werden muß, sondern ein Tauchen mit einer inneren Klarheit über den eigenen Willen, wo keine Widersprüche und Zweifel mehr da sind. Das Geschehen aus der Kraft heraus erfordert aber eine Entschlossenheit, die auch nicht einfach so vom Himmel fällt. Es ist wichtig sich die Tatsachen klarzumachen, natürlich auch das eigene Innenleben, besonders wenn es turbulent ist. Damit ist bereits der Keim für authentisches Handeln da.
Wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe, dann ist es mir mittlerweile immer unwichtiger, welche Art von Beziehung wir mal hatten oder angeblich haben. Ein Fremder kann für mich so vertrauenswürdiger erscheinen, als ein langjähriger Bekannter. Es ist ganz einfach das Bauchgefühl, die einfache Sympathie, die vor jedem Gedanken entscheidet. Wenn man sich sagt, den oder den muß ich aber trotzdem mögen, weil es eben das Arrangement erfordert, dann versucht schon der Verstand das Fleischwolfgefühl im Magen (laut Mike Hellwig) wegzureflektieren, um es nicht durchleben zu müssen. Der andere kann dabei die schönsten Worte benutzen, das netteste Lächeln auferlegen, die wohlmeinendste Attitüde an den Tag legen, ich merke so oder so, wenn etwas faul ist. Das Demütigende dabei ist, daß sich damit nichts nach eigenem Gutdünken rumdeuteln läßt. Die Wahrheit ist da, und nichts ist unerheblicher, als was ich von ihr halte.