Das Ego kann nicht reformiert, neu programmiert, erfolgreicher, hübscher, problemfreier, sicherer werden. Das kann ich mir selber und anderen vorgauckeln, klar, aber im Kern weiß ich, daß das nicht geht. Einmal auf die weiße Wand gekleistert geht das, was einmal drauf ist, nicht mehr ab.
Dieser Irrtum hat mich sehr lange begleitet. Auch Selbsterkenntnis wird dann als letzte Hoffnung in Besitz genommen, aus diesem Ich doch noch etwas Tolles, Wertvolles zu kreieren, weil sonst überall Scheitern angesagt war. Dabei ist sie der endgültige Todesstoß für diese Haltung.
In sozialen Gruppen auftrumpfen war noch nie mein Ding. In Hackordnungen war ich weiter unten. Die Leader waren andere. Die bekamen auch immer die Freundinnen. Enttäuscht zog ich davon, schweigsam, unbemerkt. Ich mache also jetzt mein eigenes Ding.
Auch das ist das Ego. Aus Trotz will ich mir und anderen doch noch beweisen, daß ich was drauf habe. Schaut her, ich bin doch kein Vollversager, schaut her, ich kann doch was in meiner Nische! Wieso sieht das denn keiner? Ich hätte viel mehr Leser und Zuschauer verdient, bei der Qualität!
So läuft das nicht. Aus mir wird auch kein Präsident, Vorstand oder Prominenter werden. Es geht nicht darum einer gesellschaftlichen Norm gerecht zu werden, sondern die Selbstverantwortung sagt nur das aus: Verantwortung gegenüber sich selbst. Mehr nicht. Sich selber Rechenschaft ablegen. Kann es etwas Wichtigeres, etwas Relevanteres geben, als mit mir selber klar zu sein, und zu wissen, daß ich Ok bin? Keine Reue, keine innere Zerrissenheit. Mir einfach wieder im Spiegel in die Augen sehen können.
Ob dabei auch Erfolg oder Anerkennung rausspringt ist schon viel zu weit weg. Es liegt nicht im eigenen Bereich. Von mir aus kann ich auch belächelt werden, das ist auch nur eine Reaktion. Und diese Reaktionen der Umwelt sind vom Ursprungsimpuls her absolut unwichtig.
Es wäre übrigens nichts Neues. Ich kenne das schon. Ich habe ja schon beschrieben, was ich früher erlebt habe. Da wäre noch viel mehr. Ob das also jetzt nochmal passiert, würde mich gar nicht so sehr interessieren. Ich weiß ja, was da passiert.
Es wäre nämlich nur eine Bestätigung der Zweifel im eigenen Verstand. Mehr ist das nicht. Das Auslachen, das Beschämen. Ich fand das nur schlimm, weil ich nicht verstanden habe, daß es gar nicht mein Problem war. Ich habe mir reindrücken lassen, daß an dem Punkt, wo alles intakt ist, etwas faul wäre.
Und um mir herum passiert das ständig. Es ist überall. Wenn ich mir anschaue, was in vielen TV-Serien, Radiosendungen und Klatschzeitschriften verbreitet wird, dann ist es genau das, was Wilhelm Reich mit emotionaler Pest beschrieben hat. Die zärtlichen Gefühle, die z. B. zwischen Mann und Frau latent immer vorhanden sind, werden da verdreht, erdrosselt und in Eifersucht, Lüsternheit und Mißgunst umgeleitet.
Wehe, der andere vertraut sich, und genießt noch seine Sexualität! Der erlaubt sich aber was. Das geht aber gar nicht. Schön abgestumpft bleiben, damit auch niemand merkt, was hier eigentlich wirklich los ist. Ein in sich ruhender, freier Mensch würde diesen, auf dem Trockenen Sitzenden, doch nur ihre wahre Position verdeutlichen.
Würde so ein Mensch in seiner Projektion und Gehässigkeit mal innehalten, dann würde er merken, was er da macht. Sowas machen diese Leute aber nie, nie, nie, ums Verrecken nicht. Da würde nämlich das blanke Entsetzen sich in ihren Mienen versteinern. Sowas hätte die Welt noch nicht gesehen.
Naja, dieses Klima ist echt für'n Arsch. Mich hat immer gewundert, wieso alle so unglücklich sind. Sie halten sich ja alle gegenseitig drinnen, in diesem Knast. Und genauso ich selber, wenn ich diese Haltung ungeprüft übernehme. Die Haltung der Verleugnung des Eigenen, der eigenen, einmaligen, einzigartigen Chance hier zu sein. Und es ist ein Dürfen, kein Müssen, kein Kämpfen, kein Sollen, kein Verbessern. Ich darf hier lieben, ich durfte es schon immer. Das würde ich dem Jungen von damals gerne sagen.